Das sintflutartige Unwetter dieser Tage macht auch Zugvögeln akut zu schaffen. Es erschwert die Nahrungsaufnahme und beeinträchtigt ihre Flugbedingungen. Die Wiener Studie, die die Flugtechniken des Waldrapps untersucht, entstand aber noch unter weniger dramatischen Umständen.
Die 29 Jungvögel machten es ihren Pflegmüttern nicht allzu schwer. An die menschliche Hand gewöhnt, ließen sich die Waldrappe das leichte Geschirr geduldig um Beine und Rücken binden und den Minicomputer darauf befestigen; er sollte die exakte Position und damit die Beschleunigung der Überflieger erfassen. Zusätzlich erhielten einige der gebürtigen Kärntner an ihrem Startplatz in Deutschland Elektroden für die Herzfrequenzmessung auf die Haut geklebt.
„Unsere Studie ist die erste, die mehrere technische Hilfsmittel kombiniert, um den Formationsflug von frei fliegenden Zugvögeln zu untersuchen“, sagt Erstautorin Elisa Perinot von der Vetmeduni Wien. Insgesamt konnte die Forscherin am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung 607 Flugminuten auswerten. Die tierischen Probanden wurden in sieben Tagesetappen mit Leichtflugzeugen in die südliche Toskana begleitet; die Nachzucht der fast ausgerotteten Art muss die Navigation ins italienische Winterquartier erst lernen. Daten von 523 km der 720 zurückgelegten Kilometer flossen in die Ergebnisse ein.
Einspareffekt in der V-Formation geringer als berechnet
„In der V-Formation sparten die Vögel Energie“, fasst Perinot zusammen. Die Herzfrequenz der schwarzen Piloten reduzierte sich in den hinteren Reihen um vier Prozent. Außerdem konnten die Nachzügler Flügelschläge aussetzen, wenn sie im Aufwindbereich segelten. „Doch der Einspareffekt fiel deutlich geringer aus, als wir es aufgrund theoretischer Modelle erwartet hatten“, sagt die Wissenschaftlerin. Es habe überrascht, in welch vielfältigen Formationen die Waldrappe unterwegs waren. Vermutlich wirkten sich in der Luft u.a. Böen, Temperatur und Ablenkung stärker aus als auf dem Papier. Auch die Unerfahrenheit der zahmen Tiere könnte eine Rolle gespielt haben.
Vogelarten unterscheiden sich im Zugverhalten
Tatsächlich setzen Zugvögel auf unterschiedliche Strategien, um die Ortswechsel zwischen Sommer- und Winterbleibe zu bewältigen. „Große Arten wie Waldrappe, Kraniche und Gänse fliegen im Formationsflug“, weiß Eva Karner-Ranner von Birdlife Österreich. Bei Blässgänsen etwa sorgen meist die Väter dafür, dass der Nachwuchs im Windschatten Kräfte schonend mithalten kann.
Segelflieger, darunter Störche, lassen sich zunächst von Aufwinden in die Höhe tragen, um dann über lange Strecken auf Luftströmen zu gleiten; ermüdende Weitflüge über das Meer meiden sie. Vögel mit kleinen Tragflächen müssen ständig die Flügel schlagen, damit sie überhaupt vorwärts kommen. Manche setzen dabei auf den Schwarm, andere schlagen sich als Single durch. Während etwa Stare in Trupps abheben, reisen Kuckucke bevorzugt allein. Drosseln wiederum, die verstreut über den Nachthimmel navigieren, halten durch Rufe lose Kontakt.
Zugvögel orientieren sich am Erdmagnetfeld und den Sternen
„Vogelart ist nicht gleich Vogelart“, sagt Karner-Ranner und meint damit nicht nur die unterschiedlichen Flugtechniken. Auch in Sachen Orientierung nützen Spezies verschiedene Tricks. So helfen das Erdmagnetfeld und entsprechende Sinneszellen im Auge, wenn es um richtungweisende Entscheidungen geht. Zudem können eingeprägte Sternbilder und der Stand der Sonne als Kompass dienen. Nicht zuletzt leiten Landmarken wie große Flüsse oder Umweltgerüche.
Fähigkeit sind nur teilweise angeborten
„Bei manchen Arten liegt das Zugverhalten in den Genen, manche – wie die Waldrappe – müssen es lernen“, sagt die Expertin von Birdlife. Verhaltensforscherin Perinot betont in Zusammenhang mit den Ibissen: „Ohne Zoos und ohne Schutzprojekte hätten wir keine Waldrappe mehr in freier Wildbahn. Wir könnten Studien wie meine nicht durchführen.“ Dabei gibt es allein zum Formationsflug noch so viele offene Fragen.
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