Nahrungsangebot
Fünf Milliarden Zugvögel pendeln jährlich zwischen Europa und Afrika. Weltweit wechseln etwa 50 Milliarden Tiere saisonal ihre Quartiere. In Österreich heben jeden Herbst zwei Drittel aller heimischen Brutvogelarten in wärmere Gefilde mit üppigem Nahrungsangebot ab. Die Rückkehr ist für viele ungewiss: Nur ein Drittel der Individuen überlebt. Die Reise ist beschwerlich und gefährlich.
„Die Vögel sind über weite Distanzen unter widrigen Bedingungen unterwegs. Sie müssen Gebirge, Meere und Wüsten überqueren“, sagt Matthias Schmidt von Birdlife Österreich. Nicht überall finden die erschöpften Tiere geeignete Rastplätze. Haltestellen, die in den Vorjahren Futter und Erholung boten, verschwinden. Der Mensch zerstört laufend Lebensraum. Wer schon am Start schwächelt, hat so gut wie keine Chancen auf ein Comeback. Weniger fitte Tiere sind den Strapazen nicht gewachsen – und leichte Beute für Fressfeinde.
Alle Piloten sind Hindernissen wie Glas, Gebäuden, Straßenverkehr oder Windrädern ausgesetzt. Auch die Lichtverschmutzung irritiert. Der Großteil der Zugvogelarten nützt die kühle Nacht für große Etappen; Hitze setzt den kleinen Körpern mehr zu. Künstliche Beleuchtung kann sie vom Kurs abbringen. Die Kraft reicht dann mitunter nicht bis zum nächsten Stützpunkt. Auch vor Extremwetterlagen, verursacht durch den menschengemachten Klimawandel, gibt es kein Entkommen. Nicht zuletzt torpediert gezielte Bejagung die erfolgreiche Übersiedlung.
„Durch illegale Abschüsse, Leimruten (an denen Vögel kleben bleiben, Anm.) und Netze werden auf den Ionischen Inseln alljährlich etwa 70.000 Turteltauben getötet“, informiert Garbor Wichmann von Bird Life Österreich. Auch Feldlerche, Singdrossel und Turmfalke sind häufig Zielobjekte. Insgesamt werden jedes Jahr mehr als 25 Millionen Zugvögel illegal getötet. „Jeder Vogel, der dezimiert wird, fehlt in der Population“, sagt Ornithologe Schmidt. So nimmt denn auch der Turteltaubenbestand kontinuierlich ab. Vorige Saison brüteten in Österreich nur 10.000 Paare – um zwei Drittel weniger als vor 20 Jahren.
„Neben dem Verlust von Lebensraum sind Abschuss und Fang bei Turteltauben ein Riesenthema“, bestätigt Schmidt. Egal, ob die Langstreckenzieher die Westroute über Gibraltar oder die Ostroute über Griechenland nehmen, vor Wilderei und Jagdtradition sind sie nicht sicher. Die EU-Vogelschutzrichtlinie erlaubt den Abschuss der kleinen Verwandten der Haustaube in zehn EU-Staaten – darunter auch Österreich.
Das Projekt „Flight for Survival“ will bis 2022 die Vogeljagd im Mittelmeerraum um die Hälfte reduzieren. Legale Bejagung soll verboten, gesetzwidrige bestraft werden. „Für Österreich fordern wir eine ganzjährige Schonung der gefährdeten Turteltaube“, sind Wichmann und Schmidt einig. Zugvögel wie Romeo und Frieda wären damit auf ihrem Heimweg zumindest einer Bedrohung weniger ausgeliefert.
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