„Vögel singen hauptsächlich zur Brutzeit. Sie verteidigen damit ihr Revier und locken ein Weibchen an“, weiß Eva Karner-Ranner von Birdlife Österreich. In der Regel erheben allein die Männchen ihre Stimme. Viele verstummen, sobald das Weibchen auf den Eiern sitzt; manch gefiederte Art hält schon nach erfolgreicher Verpaarung den Schnabel.
Hormone treiben zum Singen an
Im Jahreslauf steigt der Testosteronspiegel vereinzelt noch einmal im Herbst – und mit den Hormonen, die Laune zu zwitschern. Eulen etwa durchbrechen das kühle Schweigen. Der Raufußkauz beispielsweise kann weit mehr als das nachgesagte Uhu-Uhu.
Im Winter schließlich herrscht weitgehend Sendepause, nur wenige Spezies – darunter Fichtenkreuzschnabel, Blaumeise oder Kleiber – lassen in den kalten Monaten zwecks Abstecken der Grenzen von sich hören. Hier und da wird mit einfachen Wintergesängen die Stimme trainiert.
Zwei Spitzen im Tagesverlauf
„Im Tagesverlauf gibt es bei den meisten Singvögeln einen ausgeprägten Peak am frühen Morgen und einen kleineren vor der Abenddämmerung“, merkt die Ornithologin an. Hierzulande pfeift der Hausrotschwanz als einer der Ersten auf den Sonnenaufgang, seine innere Uhr bringt ihn bereits 70 Minuten davor zum Singen. Amsel und Drossel steigen bald ein. Fink und Star dagegen warten auf das Tageslicht.
„Um 10 Uhr ist meist schon alles gelaufen“, sagt die Expertin und liefert Gründe für den „Dawn Corus“: Zum einen tönt besagter „Morgenchor“ in den windstilleren Stunden weiter als untertags. Zum anderen nützen die Frühaufsteher die Freizeit, wenn die Nahrungssuche noch wenig Erfolg verspricht. Darüber hinaus grenzen sie sich flötend von der Konkurrenz ab.
Oft sind Weibchen zu dieser Zeit auch besonders empfänglich; die Minnesänger versuchen, zum Zug zu kommen, ihre Auserwählte fortissimo zu bewachen und außereheliche Kopulation zu verhindern oder fremde Weibchen zum Fremdgehen zu bewegen. „Eifriger, früher Gesang signalisiert, dass es sich um ein besonders fittes Männchen handelt“, führt Karner-Ranner aus.
Geräuschkulisse in der Nacht
Die Nacht freilich gehört den Eulen, Rallen und Nachtigallen. Nachtigallmännchen lernen ihre Lieder übrigens in früher Jugend von Nachbarn; erwachsen beherrschen sie bis zu 260 Strophentypen, die meisten zwei bis vier Sekunden lang. Die Bandbreite an hohen und tiefen Tönen ist unter europäischen Singvögeln nahezu einzigartig. Die Melodien, die durch gepresste Luft im Stimmkopf entstehen, gehen ins Ohr.
Noch kommt die „Nachtsängerin“ zwischen Boden- und Neusiedler See in allen Bundesländern vor. Insgesamt wird die natürliche Klanglandschaft aber zunehmend eintöniger. In einer kürzlich erschienenen Studie kam ein internationales Forscher-Team zu dem Schluss, dass der Vogelgesang an 200.000 Standorten in Europa und Nordamerika in den vergangenen 25 Jahren immer leiser und monotoner geworden ist – wegen des Rückgangs an Arten sowie an Individuen. „Dieser Verlust ist nicht nur für die Vogelwelt schmerzlich, sondern auch für die Menschen“, hielten die Wissenschafter fest.
Denn ob Zwitschern, Piepsen, Trillern oder Pfeifen – die Geräusche der Natur seien wichtig für die Gesundheit und das Wohlbefinden. Deutsche Experten fanden 2021 zudem heraus, dass ein Plus an 14 Vogelarten im Umfeld genauso zufrieden macht wie eine Gehaltserhöhung von 124 Euro pro Monat. Das Glück ist eben doch ein Vogerl.
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