Wissenschaftlich erhoben: Was Familien leisten

Eine Oma umarmt ihr Enkelkind.
Innerhalb von Familien werden jährlich 93 Milliarden Euro umverteilt - in Form von Geld und unbezahlter Arbeit.

Bisher gibt es kaum Daten zur Umverteilung von Geld, Gütern und Dienstleistungen innerhalb von Familien. Eine aktuelle Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der TU Wien zeigt nun den enormen wirtschaftlichen Wert solcher innerfamiliärer Transfers: Allein in Österreich summiert sich dieser Wert auf jährlich rund 93 Milliarden Euro.

Zu diesem Ergebnis kommen Bernhard Binder-Hammer und Alexia Prskawetz vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der TU Wien in einer neuen Publikation in der Fachzeitschrift Empirica. Die Bevölkerungsökonomen untersuchten, wie Familien durch Geldtransfers und unbezahlte Arbeit zur Umverteilung zwischen den Generationen und Geschlechtern beitragen.

Wenig Daten zu Familien und deren Leistungen

Das zu erheben, ist gar nicht so einfach. "Denn innerfamiliäre Umverteilung wird in keinen Wirtschaftsdaten direkt erfasst", sagt Bernhard Binder-Hammer. Sogenannte Nationale Transferkonten bieten aber einen Ausweg. "Wir kombinieren Daten zu Einkommen und Konsum und verwenden darüber hinaus auch Daten aus der Zeitverwendungserhebung, in der unter anderem nach unbezahlter Arbeit im Haushalt und Kinderbetreuung gefragt wird", erklärt Binder-Hammer das methodische Vorgehen für die Studie.

Die Analyse zeigt, dass die Transfers eine enorme wirtschaftliche Bedeutung haben. Wird auch die unbezahlte Arbeit miteingerechnet, dann beliefen sich die innerfamiliären Transfers in Österreich im Jahr 2015 auf etwa 93 Milliarden Euro, was 38 Prozent der gesamten Einkommen in Österreich entspricht. Aktuellere Daten wird es erst heuer wieder geben, die Wissenschaftler gehen aber – mit Ausnahme der beiden Jahre der Coronapandemie, in denen Familien mehr Betreuungsleistungen übernommen haben – nicht davon aus, dass es seit dem zu größeren Verschiebungen gekommen ist.

Kinder profitieren von Tansfers

Die Hauptempfänger innerfamiliärer Transferleistungen sind Kinder. Im Alter von 15 Jahren erreichen die Transfers von den Eltern zu den Kindern mit durchschnittlich etwa 11.000 Euro pro Kopf und Jahr ihren Höhepunkt. Damit wird rund ein Drittel des Einkommens der Eltern für die Kinder aufgewendet. Die gesamten Einkommenstransfers an die Bevölkerung unter 25 Jahren belaufen sich auf 19 Milliarden Euro im Jahr.

Doch nicht nur Geld sondern auch unbezahlte Arbeit wie Kinderbetreuung und Haushaltsarbeit bildet eine zentrale Transferleistung zwischen den Generationen. Allein in den ersten beiden Lebensjahren erfordern Kinder etwa sieben Stunden an unbezahlten Dienstleistungen pro Tag. Wird die gesamte unbezahlte Familienarbeit mit Löhnen für ähnliche Tätigkeiten bewertet, beträgt der ökonomische Wert dieser Transfers an alle unter 25 weitere 31 Milliarden Euro.

Welche wirtschaftliche Rolle die Transferleistungen zwischen Eltern und Kindern spielen, wird besonders deutlich, wenn man die Pensionen und weiteren Leistungen des Staates für die ältere Generation in den Blick nimmt. Den familiären Leistungen im Wert von 50 Milliarden Euro für Kinder und Jugendliche stehen Transfers des Staates für die Bevölkerung 60+ von rund 58 Milliarden Euro gegenüber.

Frauen leisten mehr unbezahlte Arbeit

Weil Männer in Österreich im Schnitt mehr verdienen, sind sie für den Großteil der monetären Transfers innerhalb von Familien verantwortlich. Bei der unbezahlten Arbeit ist das Geschlechterverhältnis aber umgekehrt: Bei der Erziehungs- und Hausarbeit leisten Frauen den Löwenanteil. Das ist alles andere als unproblematisch, denn: "Unbezahlte Arbeit wird im Pensionssystem nicht honoriert. Frauen, die mehr unbezahlte Arbeit leisten, sind hier klar benachteiligt. Weil viele Frauen auch im Berufsleben stehen, werden sie zudem doppelt belastet", sagt Prskawetz. Und Binder-Hammer ergänzt: "Niedrige Einkommen und niedrige Pensionen aufgrund von Betreuungspflichten für Kinder betreffen letztlich die wirtschaftliche Situation der Familie als Ganzes."

Aber muss das so bleiben? Die Forscherinnen und Forscher hoffen, dass ihre Arbeit einen ersten Schritt zur Schaffung einer besseren und differenzierteren Datenlage darstellt. "Was nicht gemessen wird, ist oft unsichtbar, selbst wenn es sich um zentrale Leistungen handelt wie jene von Familien. Unsere Arbeit zeigt, welche Rolle solche verborgenen Transfers für die Gesellschaft spielen und soll mithelfen, Reformen für Familien bestmöglich zu gestalten", sagt Binder-Hammer.

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