Wie der Biber an seinem Comeback arbeitet

Biber tragen zur Renaturierung von Gewässern und zur Artenvielfalt bei
Nach 400 Jahren gibt es in London wieder Biber. Österreich ist bereits weiter.

Die Vorbereitungen liefen seit Langem, nun hieß es endlich: Welcome to Enfield. Mit großem Tamtam wurden die Schottin und ihr Gefährte aus Yorkshire im Norden Londons begrüßt. Das Biber-Paar soll auf der Forty Hall Farm heimisch werden. Und mit viel Nachwuchs zur „Wiederherstellung der natürlichen Flusslandschaften“ beitragen.

Mehr als 400 Jahre waren die Nager in der britischen Hauptstadt nicht gesehen. Jetzt wurde das Duo just in der Fastenzeit ausgesetzt. Dass das Projekt erfolgreich sein kann, zeigt Österreich vor.

„Der letzte Biber hierzulande wurde 1869 erlegt“, sagt Christina Wolf-Petre, Artenschutzexpertin beim WWF. Bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die reinen Pflanzenfresser in fast ganz Europa ausgerottet. Der Mensch machte mit den 25 Kilo-Schwergewichten fette Beute. Aus dem wasserdichten Fell wurden Mützen, Handschuhe und Strümpfe. Bibergeil, der Duftstoff, mit dem das Revier markiert wird, sollte Nervenleiden und Gliederschmerzen lindern.

Biber auf der Donauinsel

Und das Fleisch durfte trotz Fastenzeit konsumiert werden, schließlich bedecken Schuppen den flachen Schwanz des Säugers und Fisch war vom päpstlichen Edikt ausgenommen. Ein Jahrhundert später, in den 1970ern,  bereiteten Wissenschafter und die Stadt Wien ein Comeback für die Leitart vor. Doch die 15 kanadischen Importe überlebten nicht. Die 32 Europäer aus Polen, Schweden und Weißrussland kamen mit den heimischen Bedingungen offenbar besser zurecht. 

Streng geschützt

„Aktuell meldet Österreich offiziell 7.100 bis 7.800 Individuen an die EU“, sagt die Biber-Expertin. In den alpinen biogeografischen Regionen ist Luft nach oben. In Wien dagegen gelten alle geeigneten Stellen als besetzt. „Biber sind gesetzlich streng gestützt. Sie haben eine Schlüsselfunktion“, sagt Wolf-Petre. Indem sie Bäume fällen und Wasser aufstauen, fördern sie die Artenvielfalt. Mit besonnten Flachwasserzonen, Totholzinseln, aber auch an den ausgelichteten Ufern schaffen die Baumeister Lebensraum für Insekten, Vögel, Amphibien und Fische.

Doch der „Ökosystem-Ingenieur“ ist nicht überall gerne gesehen. Überschwemmt er Wiesen, untergräbt er mit seinen Höhlen Felder im Uferbereich oder verstopft er die Zu- bzw. Abflüsse von Fischweihern, macht er sich Feinde. „Mehr und mehr Bundesländer wollen den Biber vergrämen. In Niederösterreich und Kärnten erlauben Verordnungen bereits den Fang und Abschuss in großer Zahl“, sagt die Naturschützerin. Dabei reguliert sich der Bestand – abhängig von verfügbarem Lebensraum – in der Regel von selbst. Ist die Population zu dicht, reduziert Stress die Fortpflanzung. Zudem kommt es zu wilden Revierkämpfen, die mitunter tödlich enden. Schließlich werden Jungtiere auf Weitwanderschaft überfahren.

Illegal bejagt

„Es gibt Hinweise auf illegale Entnahmen“, sagt Wolf-Petre. Fälle aus Salzburg und Oberösterreich sind bekannt. In Wien bemüht sich die Stadt, Konflikte zwischen Tier und Mensch zu vermeiden. „Vom Biber massiv angenagte Bäume, die ein Sicherheitsrisiko darstellen, werden umgehend gefällt“, heißt es in der für Forstwirtschaft zuständigen MA 49. Dabei würde der Baum nach Möglichkeit als Nahrungsressource liegengelassen. Die Nager schätzen vor allem die Triebe.

Bis in London derartig Maßnahmen notwendig sind, fließt noch viel Wasser die Themse hinunter. In Enfield wird der erste Biber-Nachwuchs 2023 erwartet. Pro Wurf kommen zwei bis vier Junge zur Welt, ein Mal im Jahr. 

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