Zu wenig Umweltschutz, tu viel Kontakt mit Tieren
Chris Walzer, Professor für Wildtierkunde der Vetmeduni Wien und Abteilungsleiter Gesundheit bei der Wildlife Conservation Society in New York, befasst sich schon seit Beginn der Pandemie mit der aktuellen Zoonose.
Er sagte bereits 2020 zum KURIER: "Das Virus stammt ganz fix von der Chinesischen Hufeisennase (eine Fledermausart, Anm.). Über welche Zwischenstufen und in welchem Zeitrahmen zum Menschen gelangte, ist aber nach wie vor offen."
Seit Jahren warnt der Experte davor, dass Naturschutz nicht ernst genommen wird und der Mensch zu viel Kontakt mit Tieren hat. Denn das Vordringen des Menschen in natürliche Lebensräume begünstigt den Austausch von mutierten Viren und Bakterien.
Doch nicht nur unnatürliche Berührungspunkte zwischen Mensch und Tier sind eine Gefahr für das Entstehen von Krankheiten über Arten hinweg. "Wo Wildtiere auf engstem Raum gehalten werden, können sich Viren vermischen", nennt der Tierarzt den "künstlichen Kontakt" als weiteren Grund.
Märkte idealer Nährboden für pathogene Erreger
Am Markt in Wuhan wurde von Biberratte über Pfau und Krokodil bis Skorpion alles verkauft. Proben, die auf dem 50.000m² Areal gesammelt wurden, zeigen einen Mix an Kot, Urin, Speichel, aber auch Blut vom Schlachten von unterschiedlichsten Tieren auf.
Umschlagplätze dieser Art sind idealer Nährboden für die Verbreitung und Rekombination pathogener Erreger, so Walzer.
Wildtiere in Wildnis lassen
Tierärzte und Virologen sind überzeugt, dass der Ausbruch weiterer Pandemien durch Zoonosen nur eine Frage der Zeit ist. Aber: "Die Übertragungswege können minimiert werden", betont Walzer. Prävention gelingt am ehesten, wenn Menschen Wildtiere in der Wildnis und der Natur ihren Raum lassen.
Experten wollen Frühwarnsystem
Experten des UNO-Umweltprogramms (UNEP) und des International Livestock Research Institute (ILRI) haben ebenfalls davor gewarnt, dass durch Ausbeutung der Tierwelt und Zerstörung von Ökosystemen immer öfter Tier-Krankheiten auf den Menschen übertragen werden könnten.
Mehrere Forscher fordern zumindest ein globales Frühwarnsystem für Viren aus dem Tierreich. Eine frühzeitige Entdeckung könnte in Zukunft ähnliche Pandemien verhindern, so Stephan Ludwig, Direktor des Instituts für Molekulare Virologie an der deutschen Uni Münster.
Wichtig sei eine Überwachung von sogenannten Schlüssel-Events wie Lebend- oder Wildtiermärkte in Asien. "Wenn bei Routine-Untersuchungen auf Lebendtiermärkten vermehrt Infektionen gefunden werden, muss sofort die Bremse reingehauen werden, um die schnelle Verbreitung zu stoppen", sagte Ludwig. Ein Frühwarnsystem könnte von der Weltgesundheitsorganisation oder den Vereinten Nationen eingerichtet werden.
Bei Vogelgrippe richtig reagiert
Der Virologe verweist auf den Fund von 15 Vogelgrippe-Infizierten im Jahr 1997 in Hongkong. Damals sei das Vogelgrippe-Virus H5N1 aufgetreten und sofort seien drei Millionen Hühner geschlachtet worden, um die Verbreitung zu stoppen. Zwar sei das Virus Jahre später erneut aufgetreten, aber die erste Aktion sei richtig gewesen.
Die aktuelle Corona-Pandemie sei nicht leicht in den Griff zu kriegen, sagte Ludwig. Dennoch spricht er von einer Art Testfall eines "nicht so superaggressiven Virus, bei dem wir die ganzen Maßnahmen ausprobieren und durchtesten können". Es gebe auch andere Infektionen, bei denen jeder Zweite sterbe.
Markt-Verbote nicht realistisch
Ein Verbot von Lebendtiermärkten hält Ludwig für wenig realistisch. Das sei eine Überlegung am Reißbrett und ein Eingriff in die Hoheit von Nationen.
"Diese Märkte gehören zum kulturellen Leben einer Nation. Wir können den Chinesen das schlecht vorschreiben." Eher stellt der Forscher die Frage in den Raum, warum es diese Märkte überhaupt gibt. "Tiere werden lebend verkauft, weil man zu wenig Konservierungsmöglichkeiten hat", sagt der Wissenschafter aus Münster. Gefriertruhen könnten eine Lösung sein.
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