Drosten: "In Wuhan wurden durchaus gefährliche Sachen gemacht"

Drosten: "In Wuhan wurden durchaus gefährliche Sachen gemacht"
Der deutsche Top-Virologe möchte die Labor-Theorie nicht völlig ausschließen - hält sie allerdings weiterhin für unwahrscheinlich.

Der deutsche Virologe Christian Drosten hat sich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung ausführlich zur Labor-Theorie geäußert. Drosten möchte die Möglichkeit zwar nicht ausschließen, dass das Coronavirus Sars-CoV-2 aus einem Labor der chinesischen Stadt Wuhan stammt, hält sie allerdings für unwahrscheinlich.

"Man kann in allen öffentlichen Äußerungen von mir sehen, dass ich immer offen war für beide Möglichkeiten", so Drosten. Aber er habe auch immer dazugesagt, weshalb er einen natürlichen Ursprung des Virus aus dem Tierreich für plausibler halte: "Wir kennen das Sars-1-Virus, das zur gleichen Art gehört wie Sars-CoV-2. Sars-1 stammt von Fledermäusen und ging über Schleichkatzen und Marderhunde als Zwischenwirte auf den Menschen über. Wahrscheinlich erst in den Zwischenwirten veränderte sich das Virus dann so, dass es auch Menschen befallen konnte", erklärt Drosten in der SZ.

Da beide Virusarten die gleiche Krankheitsökologie hätten, sei es aus seiner Sicht deshalb wissenschaftlich geboten, die tierische Variante vorzuziehen. "Für die Hypothese vom Labor-Ursprung gibt es vergleichbar hochwertige wissenschaftliche Indizien nicht", sagt Drosten.

"Dabei hätte nicht Sars-CoV-2 herauskommen können"

Gleichzeitig würden publizierte Projektberichte aus Wuhan zeigen: "Es wurden in Wuhan durchaus Sachen gemacht, die man als gefährlich bezeichnen könnte. Aber dabei hätte nicht das Sars-CoV-2-Virus herauskommen können. Die haben zwar Fledermausviren neue Eigenschaften eingebaut, aber nicht solchen, die als Vorgänger von Sars-CoV-2 infrage kommen."

"Gain-of-Function-Experimente", bei denen Fledermausviren mittels Gentechnik neue Spikeproteine eingebaut wurden, hätten zwar gezeigt, dass sich die so konstruierten Viren besser vermehren konnten, so Drosten. "Es wurde auch bekannt, dass Pläne zum Einbau von Furinspaltstellen bestanden, aber das sollte in einem amerikanischen Labor gemacht werden, und das Projekt wurde nicht finanziert."

Ja, auch das Coronavirus verfüge über eine solche Furinalspaltstelle: "Das Einfügen einer Furinspaltstelle wäre ein theoretisch denkbares Laborexperiment", bestätigt Drosten. Bei der Influenza würden diese Spaltstellen aber ständig neu in der Natur entstehen.

Experimente verschwiegen: Kritik an US-Kollegen

Fazit: Drosten hält den natürlichen Ursprung für weitaus wahrscheinlicher, betont aber: "Es gibt nichts, was es nicht gibt. Ich will es nicht ausschließen, aber es ist derzeit nur eine Möglichkeit." Endgültige Aufklärung werde es sowieso nur geben, wenn China voll kooperiere. Das geschieht derzeit nicht.

Drosten übte auch deutliche Kritik an Kollegen, die Öffentlichkeit nicht frühzeitig über die Experimente in Wuhan informiert zu haben. "Vor allem wussten ja einige Leute in den USA von diesen Versuchen. Man hätte schon am Anfang, als diese öffentlichen Vorwürfe kamen, offensiv und proaktiv kommunizieren müssen, was dort im Labor gemacht wurde. Viele Wissenschaftler, auch ich, haben damals in The Lancet für die Kollegen aus Wuhan die Hand ins Feuer gelegt, wurden aber über diese Projekte nicht informiert. Hätte ich davon gewusst, hätte ich zumindest Rückfragen gehabt, bevor ich meine Unterschrift leistete".

Kommentare