Warum um den Ostertermin jahrhundertelang ein Streit tobte
Wann das wichtigste Fest der Christen gefeiert werden sollte, war lange ein heftig umstrittenes Politikum. Jetzt hat ein österreichischer Historiker den Ostertermin enträtselt.
Alles wäre so einfach gewesen, wenn sich die antiken Kirchenväter darauf einigen hätten können, Ostern einfach am Todestag von Jesus zu feiern. Vielleicht am 3. April, laut neuesten Forschungen der wahrscheinlichste Todestag. „Aber nein, der Karfreitag durfte es nicht sein, weil der Auferstehungstag bei Weitem wichtiger erschien“, sagt Christian Gastgeber. Außerdem sollte es ein bewegliches Fest sein, das sich am Frühlingsvollmond orientiert. Die Folge: „Zwischen Westen und Osten tobte das ganze Mittelalter hindurch der Osterfeststreit.“ So erzählt es der Historiker der Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
Die Quartodezimaner (sie lebten vorwiegend in Kleinasien) nahmen den Tag der Kreuzigung als Anlass und feierten Ostern parallel zum jüdischen Pessachfest, soll Jesus doch in diesen Tagen – so die Überlieferung – auferstanden sein. Und dieses Datum variiert, weil der jüdische Festkalender sich an den Mondkalender anlehnt. Die Protopaschisten wiederum (die in Syrien, Mesopotamien und einem Teil des südöstlichen Kleinasiens ansässig waren) feierten dagegen den Sonntag nach Pessach.
Wer das Match um den Ostertermin gewonnen hat, lesen Sie hier:
Gesucht: Ein Termin
Kompliziert? Ja! Aber eigentlich müssen Sie nur wissen, dass im Jahr 325 auf dem Konzil von Nicaea festgelegt wurde, dass das Osterfest zum einen nach dem 21. März, also dem Frühlingsanfang, stattfinden muss; zum anderen an einem Sonntag nach dem jüdischen Pessach-Fest. Der früheste Ostersonntag fällt folglich auf den 22. März, der späteste auf den 25. April. Damit gab das Konzil den Protopaschisten Recht und verwarf die Praxis der Quartodezimaner. Fortan sollten alle Christen Ostern zur selben Zeit feiern, bestimmten die Chefs, vergaßen aber, einen Modus zu beschließen, wie genau das Datum für das Osterfest zu berechnen sei.„Im Mittelalter gab es daher verschiedenste Methoden, teilweise wurde Ostern in benachbarten Regionen zu unterschiedlichen Zeiten gefeiert. So hielt man sich in Rom an andere Berechnungen wie in Konstantinopel“, sagt Historiker Gastgeber. „Dazu kam, dass das Thema politisch brisant war, weil es zu Machtkämpfen um die Festlegung des Datums kam. In der Fastenzeit war zum Beispiel Kriegsführung nicht sinnvoll“.
Ja, wir Menschen des 21. Jahrhunderts googeln einfach mal schnell, wenn wir wissen wollen, auf welches Wochenende das Osterfest im nächsten Jahr fällt. Früher war das nicht so einfach: Denn, wenn man sich auf den Sonntag geeinigt hatte, war man womöglich über den „echten“ Frühlingsvollmond uneins. Kritisch war ein „Sonntagsvollmond“ an einem 21. März – wie etwa im Jahr 387. War das jetzt noch ein Winter- oder bereits ein Frühlingsvollmond? Aus den Schriften des Kirchenvaters Ambrosius ist zu erfahren, dass sich die Kirche darüber nicht einigen konnte: In Rom feierte man Ostern in diesem Jahr am 21. März, in Alexandrien aber erst am 25. April.
525 bat Papst Johannes I. schließlich den Mönch Dionysius Exiguus um Rat. Gastgeber: „Der Skythe, der in Rom als Dolmetscher tätig war, ging zu den Experten – nach Alexandria, damals das wissenschaftliche Zentrum der mediterranen Welt. Die Astronomen dort waren berühmt für die exaktesten Himmelsbeobachtungen.“ Dort war eine korrekte Osterrechnung längst entwickelt worden.
Und nach diesem Modell erstellte Dionysius Exiguus einen Kalender, mit dem der Ostertermin vorhergesagt werden konnte.
von Christian Gastgeber
Historiker
Das Problem: „Es war zwar bekannt, dass der Mönch sein Wissen aus Ägypten übernommen hatte, aber die Belege fehlten.“ Niemand wusste, wie genau die Ostertabelle aussah.
Gefunden: Ein Osterwunder
Nun hat Gastgeber sie gefunden – in der Biblioteca Ambrosiana in Mailand. Eigentlich in der Wiener U-Bahn, als er – weil ihm fad war – das digitale Archiv studierte. In „einer hässlichen, schrecklichen Handschrift“ erkannt er einen Auszug dieser Tabelle und machte sich auf nach Mailand, um das Original zu sichten. Es handelte sich um eine Abschrift aus dem 12. Jahrhundert. „Das Abkürzungssystem war höllisch, oft gab es nur Punkte und Striche.“ Außerdem war das Palimpsest, also ein Pergament, das doppelt beschrieben wurde, schlecht erhalten. Es kostete ihn Monate, es zu entziffern.
„Dieser Fall zeigt, dass man historische Schätze nicht in Geheimbibliotheken suchen muss. Sie verstecken sich oft in öffentlich zugänglichen Archiven vor unserer Haustüre“, sagt Gastgeber und gesteht, dass er sich hin und wieder ein bisschen wie Umberto Eco fühle – in alten handschriftlichen Texten herumstöbernd und in jeder Bibliothek auf einen tollen Fund hoffend.
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