"Mitte Mai kann es wieder losgehen", sagt Ladstätter. Und freut sich darauf, schon bald am Domitiansplatz zu graben. "Ein Areal, das bisher noch nicht freigelegt worden ist, eines der wenigen im Zentrum der Stadt." In der Spätantike wurden die Plätze nicht mehr gebraucht, weil sich die Menschen ins Private zurückzogen. Es gab keine Aufmärsche mehr und der Platz wurde zugebaut. Womit, ist derzeit Spekulation. Ladstätter erwartet sich eine Reihe von Werkstätten und Tavernen. Und will schon bald nachschauen.
Schwerpunkt antike Baustelle
"Der Bauplatz Ephesos wird in den nächsten Jahren ein Schwerpunkt sein", ergänzt Steskal und beschäftigt sich schon jetzt "mit dem Leben und Sterben in einer antiken Metropole. Das komplexe Thema der menschlichen Existenz kann man nur unter Einbeziehung der Nachbardisziplinen angehen", sagt er und kommt auf die eingangs erwähnten Proben zurück, die mittlerweile auf DNA untersucht sind:
"Mit Kollegen in Göttingen und Weimar haben wir einen Grabkomplex der Westnekropole mit 200 Individuen untersucht." Die Stichprobe - eine der repräsentativsten und besterforschten Skelettserien der Kaiserzeit und Spätantike in dieser Region - sei so groß, dass man jetzt viel über den Gesundheitszustand der Ephesier in der Spätantike wisse.
Der Archäologe klingt noch immer zufrieden. Kaum eine andere Wissenschaft arbeitet so interdisziplinär. Man integriert Methoden und Experten aus der Genetik, der Anthropologie, der Archäozoologie und -botanik, Bioarchäologie etc. Denn längst erforscht man mehr als sichtbare antike Ruinen. Steskal will wissen, wie die Ephesier lebten und räumt mit Klischees auf: "Diese Sixpack mit weißen Zähnen, die in Filmen wie Ben Hur durch die Gegend marschieren – das kam damals ganz selten vor. Die Leute haben eher krank ausgeschaut."
Ungesunde Großstadt
Chronische Entzündungen, geschwächte Immunabwehr, Lungenerkrankungen, Parasiten aller Art, Malaria – all das hat Steskals Team bei Knochenanalysen entdeckt. Wohnsituatin und Luftqualität ließen in der antiken Großstadt wohl zu wünschen übrig, ist sein Fazit daraus.
Die Lebenserwartung blieb überschaubar. Wer das Kleinkindalter überstand, konnte auf eine Lebenserwartung von 37 (Männer) bzw 39 (Frauen) Jahren hoffen. Typische Krankheitsbilder waren außerdem Skorbut und Anämie, die wiederum auf Mangelernährung und hygienische Probleme beim Abwasser entsorgen und Nahrung bereiten hindeuten.
Apropos Nahrung
Was gegessen wurde, können die Forscher jetzt auch sagen – Isotopenanalysen von Kollegen in Vancouver und Durham sei Dank. Um die Ernährungsgewohnheiten der Ephesier in historischer Zeit näher beleuchten zu können, wurden in den vergangenen Jahren knapp 300 Proben von Menschenknochen unterschiedlichster Epochen genommen. "Wenn man Kohlen- und Stickstoff-Isotope analysiert, kann man ganz gut auf den Anteil von tierischer, pflanzlicher und maritimer Nahrung schließen", erklärt Steskal und erlebte eine Überraschung:
Für eine Metropole am Meer standen Meerestiere überraschend selten am Menüplan. Hauptsächlich wurde Weizen – also Brot – vertilgt.
Ephesos muss ein Anziehungspunkt gewesen sein. "Die Handels- und Hafenstadt war ein bunter Mix. Es herrschte ein Kommen und Gehen aus der ganzen mediterranen Welt vom Nahen Osten über Nordafrika bis Mitteleuropa. Die Stadt war ein Melting Pot." Woher Steskal das weiß? Richtig! Die erwähnte DNA-Analyse erlaubt Einblicke in Bevölkerungsstruktur, Familienverhältnisse, Migration. Und das ist wohl ein weiterer Grund, warum Steskal zufrieden klingt.
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