Warum sich Schlangenbisse in Österreich häufen
Einst schlängelte sich die Wiesenotter zwischen Wiener Becken und Neusiedler See, sie war auf der Simmeringer Haide im 11. Bezirk genauso heimisch wie im Schlosspark Laxenburg/NÖ. Das letzte Exemplar wurde 1973 gesichtet, heute gilt das giftige Reptil hierzulande als ausgestorben. Kreuzottern – klassisch grau-schwarz gezackt oder in Variationen von Rot bis einfärbig Schwarz – sowie Hornvipern dagegen jagen regional nach wie vor mit Giftzähnen. Fühlen sie sich in die Enge getrieben, beißen sie ebenfalls zu.
„Es gibt keine Schlangenjahre“, sagt Silke Schweiger. Die Häufung von Unfällen in jüngster Vergangenheit führt die Kriechtierexpertin am Naturhistorischen Museum Wien vielmehr auf menschliches Verhalten zurück: „Wir dringen so tief in die Natur ein, dass wir öfter auf Schlangen treffen. Die meisten Bissunfälle passieren beim Fotografieren.“ Potenziell tödlich sei das bei den beiden Arten nicht, Handlungsbedarf besteht trotzdem. Vor allem Allergiker müssen vorsichtig sein.
Heimische Arten
In Österreich gibt es derzeit sieben Schlangen-Spezies, weltweit sind es etwa 3.500. Nach dem Ende der letzten Eiszeit vor ca. 10.000 Jahren breiteten sich die Kaltblüter wieder in Mitteleuropa aus. Von der Äskulapnatter – bekannt als Begleiterin des griechischen Heilgottes – bis zur harmlosen Würfelnatter – schlanker Körper, runde Pupillen, Fischfresserin – stehen alle heimischen Vertreterinnen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Sichtungen können auf der Homepage von herpetofauna.at gemeldet werden.
Weit verbreitete Ringelnatter
„Die Ringelnatter ist bei uns am weitesten verbreitet, weil sie auch im vom Menschen beeinflussten Lebensraum gut zurechtkommt“, sagt Schlangen-Kenner Attila Kobori. Diese Wassernatter mit den zwei gelben Nackenflecken ernährt sich bevorzugt von Kröten und Fröschen. Sie gilt als extrem scheu. Die zierliche Schlingnatter – eine Würgeschlange, die zur Fortpflanzung regelrechte Paarungsknäuel bildet, – wiederum verirrt sich auf der Suche nach einem geeigneten Winterquartier mitunter in Keller.
Nicht berühren
„Wenn man eine Schlange sieht, gilt prinzipiell: nicht stören, nicht berühren. Die Tiere stehen unter Naturschutz“, sagt Schweiger. Serpentes verfügen über keine Außenohren, sie nehmen Vibrationen mit dem Innenohr wahr; manche zischen dann ab, manche verharren reglos. In Notwehr beißen sie zu. Dabei ist nicht jeder Giftschlangenbiss giftig; beim sogenannten Trockenbiss hält das Tier das wertvolle Toxin für Beute zurück.
Schlüsselfaktor in der Natur
„Schlangen sind ein wichtiger Schlüssel im Ökosystem“, sagt Kobori. Als Fleischfresser kontrollieren sie etwa das Mäuse- und Rattenaufkommen. Sie selbst machen räuberische Kleinsäuger und Vögel satt. Auch der Mensch kann zu ihren Feinden zählen. Bei einem Giftbiss heißt es jedenfalls: Ruhe bewahren, Wasser trinken, Hilfe holen.
Mögliche Symptome nach einem Schlangenbiss sind örtliche Schwellung, Gewebsschäden, Schmerzen, Verfärbungen, Übelkeit, Durchfall, Schweißausbruch, Herzrasen, Blutdruckabfall, allergische Reaktion.
Als Erste Hilfe-Maßnahme rät die Vergiftungsinformationszentrale: Möglichst ruhig vor Ort verharren; Aussaugen, Ausquetschen, Abbinden unterlassen; Notruf 144 wählen.
Vorbeugend schützen festes Schuhwerk und lange Hose vor einem Schlangenbiss. Das oberste Gebot lautet: Abstand halten.
Schlechtes Image
Tatsächlich ist das Image der Schlangen in der westlichen Welt aber schlechter als es ihrer Natur entspricht. „Viele Ängste beruhen auf Mythen oder Irrglauben“, sind die Experten einig. Im Alten Testament z. B. tritt die Schlange als Sinnbild des Teufels auf, auch in Filmen verkörpert sie oft das Böse. Die fehlende Mimik lässt Reptilien generell eher unheimlich erscheinen. Aufklärung tut Not. Diese bezieht auch Blindschleichen ein: Anguis fragilis hat bewegliche Augenlider, äußere Gehöröffnungen und einen Schwanz mit Sollbruchstellen. Eine Zerbrechliche Schlange der besondern Art? Mitnichten: Die Blindschleiche ist ein Echse ohne Beine.
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