Das sind die seltsamen Wesen der Tiefsee
Zwei große grüne Kugeln leuchten aus dem durchsichtigen Kopf hervor. Das 15 Zentimeter große Wesen schwebt 600 Meter unter der Meeresoberfläche im Wasser, seinen Blick gerade nach oben gerichtet.
Die Kugeln sind seine Augen. Und was aussieht, wie die Seh-, sind die Geruchsorgane. Es ist zappenduster in der Umgebung des Glaskopffisches. „Selbst in einer Welt voller Anpassungen für das Sehen in fast völliger Dunkelheit sticht der Fisch als einer der bizarrsten hervor“, erklären die Experten des Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI) in Kalifornien. Und wunderlich ist hier in der Tiefe vieles.
Meeresforscher bewegen sich in einem fremden Kosmos, in dem sich Lebewesen tummeln, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Nicht nur in der Tiefsee. Wissenschafter schätzen in einer neuen Studie, dass es ein bis zwei Millionen Meeresarten gibt, die noch entdeckt werden müssen. Bei dem derzeitigen Tempo würde die Erforschung Hunderte von Jahren dauern. Ganz tief unten noch viel länger.
Doch manchmal scheint es schnell zu gehen: Vor wenigen Monaten stachen der chilenische Meeresbiologe Javier Sellanes und sein Team mit der Falkor in See. Sie kartierten 52.000 km² Meeresboden vor Chile und fanden vier neue Seeberge. An Bord des Schiffes des Schmidt Ocean Instituts war auch der Unterseeroboter SuBastien. 4.500 Meter tief kann er tauchen. Mit seiner Hilfe wurden Daten und Fotos von bis zu 100 neuen Arten ans Tageslicht befördert: Blühende Tiefseekorallen, Glasschwämme, Seeigel, Flohkrebse, Langusten.
Eine rote Seekröte spaziert auf 1.389 Metern Tiefe vor die Linse der Kamera von SuBastien. Ihre Flossen wirken wie Füße, sie schaut aus wie gehäkelt, wie ein Fantasietier. MBARI-Forscher hatten ein paar Jahre zuvor dokumentiert, dass diese Fische mit ihren eingebauten Ködern fischen.
Zurück an Land: Das auf der Falkor Gesammelte wird jetzt ausgewertet. „Eine vollständige Identifizierung der Arten kann viele Jahre dauern“, so die Geschäftsführerin des Schmidt Ocean Institute, Jyotika Virmani, in der Presseerklärung. Das Institut arbeitet im Rahmen des Nekton Ocean Census – einer globalen Initiative, um unbekanntes Meeresleben zu erkunden. Diese hat es sich zum Ziel gesetzt, in den kommenden zehn Jahren 100.000 neue Arten zu entdecken.
Sellanes übrigens ist schon wieder auf See, um Wissen einzusammeln. Aber warum der Aufwand? „Man kann nicht schützen, was man nicht kennt“, sagt er. Daher sei Forschung wichtig für bestehende und neue Meeresschutzgebiete. „Man muss alle beteiligten Akteure kennen, um zu wissen, wie das Meeressystem als Ganzes funktioniert.“ Durch Tiefsee-Bergbau könnten die Menschen Arten und Lebensräume zerstören, die sie noch gar nicht gesehen haben.
„Und was noch viel wichtiger ist: Lebenswichtige natürliche Zyklen der Tiefsee beeinträchtigen.“ Das norwegische Parlament stimmt im Dezember für den kommerziellen Abbau von Bodenschätzen am Meeresgrund.
Der fast durchsichtige Ferkel-Tintenfisch schwimmt langsam auf 1.397 Metern vor die Kamera des MBARI-Forscherteams. Er hat einen Tarnmantel aus Pigmentsäckchen, mit dem er sich gegen Räuber schützt. Ob das auch gegen Menschen hilft?
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