Schweizer Experiment: Kunstschnee soll Gletscher retten

Es gibt verschiedene Versuche, die Gletscherschmelze zu bremsen.
Glaziologen testen den Eingriff in die Natur. Bei Erfolg könnten andere Regionen, die unter Wassermangel leiden, profitieren.

"Schnei-Seil" statt Schneekanone: Mit einer neuartigen Beschneiungsanlage gleichsam einer Oberleitung wollen Glaziologen in der Schweiz den Schwund der Gletscher aufhalten. Eine Versuchsanlage wurde bei Pontresina im Kanton Graubünden eingeweiht. Der Erfinder der Idee, Gletscherexperte Felix Keller, stellte Projekt "MortAlive" am Fuße des Morteratsch-Gletschers vor. Hintergrund ist unter anderem, dass in vielen Weltregionen zurückgehende Gletscher das Leben von Menschen bedrohen, die das Schmelzwasser als Wasserquelle brauchen.

Schneeschichte schützt Gletscher

„Nur eine Schneeschicht kann die Gletscher wirklich schützen“, sagte Keller. „Sie reflektiert die einfallende Sonneneinstrahlung und isoliert vor warmen Sommertemperaturen.“ Wenn die Versuchsanlage erfolgreich ist, könnten künftig Tragseile wie bei einer Bergbahn über Gletscher gespannt werden. Mit Schläuchen würde daran entlang Wasser zu Schneidüsen transportiert.

Dank der niedrigen Temperaturen soll sich das daraus rieselnde Wasser in Schnee verwandeln. Das Wasser dafür soll ohne Stromzufuhr aus höher gelegenen Seen zu den Sprühdüsen geführt werden und unterwegs nicht gefrieren, weil es in Bewegung ist, wie Keller sagte.

30.000 Tonnen Kunstschnee pro Tag

„Wir können den Eingriff in die Natur nicht schön reden“, räumte er ein. „Aber meiner Meinung nach ist es gerechtfertigt, Schnee zu produzieren um Gletscher zu schützen.“ Mit sieben Seilen könnten 30.000 Tonnen Schnee am Tag produziert werden. Mit der Beschneiung eines Quadratkilometers Gletscher könne die Gletscherschmelze Berechnungen zufolge um 50 Jahre verzögert werden.

Für die Einrichtung und den Unterhalt einer solchen Anlage rechnet er mit Kosten von 100 Millionen Franken (umgerechnet rund 93 Millionen Euro) über 30 Jahre. Wenn alles gut laufe, könne eine Anlage im nächsten Winter über Permafrostboden am Corvatsch-Gletscher installiert werden.

Hilfe für Ladakh

In Ladakh in Indien ist der Wassermangel durch Gletscherschwund bereits akut, und von dort hat Keller eine weitere Idee mit in die Schweiz gebracht: den Bau von Eis-Stupas, die überdimensionalen Iglus ähneln, die ebenfalls durch Wasserleitung berieselt werden und so im Winter ständig wachsen. Eis bleibt länger erhalten als Schnee. Damit bekommen Bauern im Frühjahr mehr Schmelzwasser.

Export-Idee für Himalaya bis Südamerika

Das Wasser werde von der Stupa über kleine Bewässerungskanäle direkt zu den Feldern geführt. Beide Ideen - Schnei-Seile und Eis-Stupas - könnten Gebirgsbewohner etwa im Himalaya und in den Anden in Südamerika helfen, denen durch den Rückgang von Gletschern das Wasser ausgehe.

 

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