Primatenschutz: Wie Affen überleben können
Eska hat noch viel zu lernen. Was Gleichaltrige von ihren Müttern mitbekommen, muss sich das sechsjährige Waisenkind mit der dunklen Vergangenheit in einem Privatzoo mühsam erarbeiten: Schlafnest bauen, lästige Wespenschwärme und giftige Ameisen abwehren, Früchte beschaffen, Vertrauen zu Artgenossen fassen, mit ihnen auf Augenhöhe spielen. Ein Affentheater.
Unterstützung erhält der freche Bursche in der Orang-Utan-Waldschule auf der Insel Borneo. In Ost-Kalimantan versucht Vier Pfoten, Eska und seine Leidensgenossen fit für den Dschungel zu machen. „Wir holen das Kind, das schon in den Brunnen gefallen ist, heraus und stellen es auf eigene Füße“, beschreibt Schuldirektorin Signe Preuschoft die restaurative Tätigkeit. Dabei wird das Können der Waldschüler laufend mit dem frei lebender Baumbewohner verglichen. Die Taferlklassler machen nachweislich gute Fortschritte. Das ist nicht immer so.
Beliebte Forschungsobjekte
Etwa 60 Prozent aller Primatenarten – darunter Gorilla, Schimpanse und Gibbon – sind vom Aussterben bedroht, 75 Prozent haben rückläufige Populationen. Ob Erhaltungsmaßnahmen der nächsten Verwandten des Menschen in freier Wildbahn greifen, ist unzureichend untersucht. Das haben deutsche Wissenschafter kürzlich mit einer Metastudie bestätigt.
Wenig Studien über Wirksamkeit von Maßnahmen
„Primaten sind wegen ihres Charismas und ihrer Bedeutung für die menschliche Evolution sehr beliebte Forschungsobjekte“, sagt Hjalmar Kühl, tätig am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung sowie am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Über die Erfolge von Artenschutzprogrammen ist trotzdem wenig bekannt. Von den ausgefilterten 13.000 Studien zum Thema Primaten befassten sich nur 80 mit der Wirksamkeit von Maßnahmen zum Erhalt der Primaten. Zudem wurden meist nur Menschenaffen berücksichtigt. „Uns fehlen für viele gefährdete Arten wissenschaftlich gesicherte Informationen, um sie nachhaltig schützen zu können“, resümiert Kühl.
Massive Bedrohungen
Dabei wäre Rettung für die allzu menschlichen Tiere durchaus möglich. Die massivsten Bedrohungen sind bekannt. „Der Lebensraum für die Primaten wird durch Waldbrände, Landnutzung und Rohstoffabbau knapp. Außerdem blühen der illegale Handel mit den niedlichen Affenkindern und die Bejagung wegen des Buschfleisches“, zählt Preuschoft auf. Auch Kühl kennt die Probleme: „Man muss die Menschen aufklären.“ Schutzkonzepte am Papier allein reichen nicht, sie müssen mit Leben gefüllt und wissenschaftlich begleitet werden. Aktuell waren von den 162 von Experten anerkannten Schutzmaßnahmen weniger als die Hälfte quantitativ bewertet.
Heimische Forscher wirken vor Ort
„Man könnte zum Beispiel in einem Theaterstück in der Schule zeigen, dass die Ressourcen begrenzt sind“, sagt Kühl. Fragebögen davor und danach könnten Aufschluss über die Einstellung geben. In Folge müsste auch das tatsächliche Verhalten überprüft werden. Oder: Man könnte Studien zur Effizienz von Rangern anstellen. Mit welcher Kontroll-Frequenz sichern sie Schutzzonen bestmöglich? Nicht zuletzt geht es darum, „wer die wissenschaftliche Arbeit macht. Das sollten, wenn möglich, heimische Forscher sein, die später in Institutionen oder Politik aktiv werden“, sieht Kühl Chancen, Theorie und Praxis weiter zu bringen.
Tierwohl vor Artenschutz
Für die Waldschuldirektorin steht jedenfalls das Wohl jedes einzelnen Studiosus über dem Schutz der ganzen Art. Ihre traumatisierten Baumbewohner können bis zu 45 Jahre alt werden. Überleben ist da nicht genug. Preuschoft: „Ziel ist, dass die Orang-Utans ihr Schicksal einmal in die eigene Hand nehmen können.“ So soll auch Eska nach Schulabschluss in unbesiedeltes Gebiet entlassen werden und glücklich eine neue Population aufbauen.
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