Affig: Kleineres Hirn heißt nicht automatisch dümmer

Lemuren sind trotz des kleinen Gehirns schlau.
Deutsche Forscher verglichen die kognitiven Fähigkeiten verschiedener Primatenarten. Lemuren schnitten wider Erwarten gut ab.

Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans sind die nächsten Verwandten des Menschen. Sie haben relativ große Gehirne und sind sehr intelligent. Aber schneiden Tiere, die größere Denkorgane haben, auch wirklich besser in Sachen Denkleistung ab?

Erkenntnisse zur Evolution der Klugheit

Ein Forscherteam vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) - Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen hat erstmal systematisch die kognitiven Fähigkeiten von Lemuren untersucht, die im Vergleich zu anderen Primaten relativ kleine Gehirne haben.

Idente Test-Methode erlaubt Vergleich

Bei diesen Tests mit identischen Methoden zeigte sich, dass sich die kognitiven Fähigkeiten der Lemuren kaum von denen von Affen und Menschenaffen unterscheiden. Vielmehr stellte sich heraus, dass der Zusammenhang von Hirngröße und kognitiven Fähigkeiten nicht verallgemeinert werden kann. Die Studie liefert damit neue Erkenntnisse zur Evolution kognitiver Fähigkeiten bei Primaten.

Gewaltige Unterschiede in Gehirngröße

Innerhalb der Primaten unterscheiden sich verschiedene Arten aber in ihrer Gehirngröße um das 200fache. Deshalb hat ein Forscherteam vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) jetzt untersucht, ob sich die kognitiven Leistungen von Lemuren, die relativ kleine Gehirne besitzen, von denen anderer Primaten unterschieden.

Schwierige Aufgaben

Mit einer umfangreichen standardisierten Testreihe kognitiver Experimente, sogenannten „Primate Cognition Test Battery“ (PCTB), wurden bereits kleine Kinder, Menschenaffen sowie Paviane und Javaneraffen auf ihre kognitiven Fähigkeiten im technischen und sozialen Bereich getestet.

Technische kognitive Fähigkeiten umfassen das Verständnis für räumliche, numerische und kausale Beziehungen zwischen unbelebten Objekten, während soziale kognitive Fähigkeiten absichtliche Handlungen, Wahrnehmungen und das Verständnis über das Wissen anderer Lebewesen umfassen.

Die ersten Versuche haben gezeigt, dass Kinder eine bessere soziale Intelligenz besitzen als nicht-menschliche Primaten. In der technischen Kognition unterschieden sich die Arten jedoch kaum, obwohl sie sich in ihrer relativen Hirngröße stark unterscheiden.

Lemuren als Versuchskaninchen

Nun haben Forschende der Abteilung „Verhaltensökologie und Soziobiologie“ des DPZ erstmals drei Lemurenarten mit der PCTB getestet. Lemuren sind die ursprünglichsten lebenden Primaten und stellen die evolutionäre Brücke zwischen Primaten und anderen Säugetieren dar, weshalb sie als lebendes Modell ursprünglicher kognitiver Fähigkeiten bei Primaten dienen. Die in dieser Studie untersuchten Kattas, Schwarzweißen Varis und Grauen Mausmakis unterscheiden sich untereinander, aber auch im Vergleich zu den bereits getesteten Altwelt-Affen, deutlich im Sozialsystem, ihrer Ernährung und Gehirngröße.

Kleines Hirn - und trotzdem schlau

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Lemuren mit ihren deutlich kleineren Gehirnen im Schnitt genauso gut in den kognitiven Tests wie die anderen Primaten. Dies gilt selbst für Mausmakis, welche ein rund 200fach kleineres Gehirn haben als Schimpansen und Orang- Utans. Lediglich beim räumlichen Denkvermögen waren die Primatenarten mit größeren Gehirnen besser.

Beim Verständnis für kausale und numerische Zusammenhänge sowie bei den Tests zu sozialen kognitiven Fähigkeiten ließen sich allerdings keine systematischen Artunterschiede erkennen. Weder Ernährung noch Sozialleben oder Hirngröße können die Ergebnisse aus den Versuchen mit der PCTB schlüssig erklären.

Keine Verallgemeinerung zulässig

„Mit unserer Studie zeigen wir, dass man kognitive Fähigkeiten nicht verallgemeinern kann, sondern dass sich Arten viel mehr in bestimmten Bereichen innerhalb ihrer sozialen und technischen Fähigkeiten unterscheiden“, sagt Claudia Fichtel, eine der beiden Erstautorinnen. „Dementsprechend kann auch der Zusammenhang zwischen Hirngröße und kognitiven Fähigkeiten nicht generalisiert werden“.

Folgestudien unerlässlich

Die Forscher betonen, dass weitere vergleichende Studien bei einer Vielzahl anderer Arten unerlässlich sind, um die vielen Fragen rund um die Zusammenhänge zwischen Gehirngröße, Ernährung, Sozialleben und Kognition zu beantworten.

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