Migranten: Die Integration in Schule und Beruf macht Fortschritte

Die Religionszugehörigkeit von Schülern ist oft Grund für Diskriminierung.
Jugendliche der zweiten Zuwanderergeneration schneiden schulisch besser ab als die der ersten. Dennoch gibt es Handlungsbedarf.

Bei Jugendlichen mit Migrationsgeschichte handelt es sich um eine für die österreichische Gesellschaft höchst relevante Gruppe. 259.000  dieser junge Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren lebten im Jahr 2021 in Österreich. Ihre Integration sehen Experten als eine Herausforderung, aber auch als eine enorme Chance. Das gilt insbesondere für Jugendliche, da sie noch am Beginn ihrer beruflichen Karrieren stehen.

Das von Diskurs. Das Wissenschaftsnetz organisierte Mediengespräch präsentiert dazu anlässlich des kurz bevorstehenden internationalen Tages der Bildung (24.1.) neueste Daten. Der Bildungsexperte Johann Bacher, Professor an der JKU Linz, hat auf Basis der Mikrozensuserhebungen der Jahre 2018 bis 2021 vor wenigen Wochen eine aktuelle Analyse abgeschlossen.

Er kann nicht nur wissenschaftliche fundierte Aussagen zur schulischen, sondern auch zur beruflichen Integration von Jugendlichen mit Migrationsgeschichte machen. Die Ergebnisse lassen bei einem Vergleich der Ersten und Zweiten Generation Integrationsfortschritte erkennen, werfen aber auch die Frage auf, wie der Integrationsprozess beschleunigt werden könnte.

Ein Dritte mit Migrationshintergrund

In Österreich besuchten im Jahr 2021 ca. 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis einschließlich 19 Jahren eine Schule. 105.000 gehörten dabei der Ersten Zuwanderungsgeneration an, 209.000 der Zweiten. Das ergibt insgesamt einen Anteil von 28,6 % an allen Schülerinnen und Schülern. "Die Frage, wie gut dem österreichischen Schulsystem ihre Integration gelingt, ist bildungs-, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitisch von hoher Relevanz", sagte Bacher bei der Pressekonferenz. Bei mangelnder schulischer Integration könne das bildungspolitische Ziel der bestmöglichen Förderung jedes Kindes unabhängig von seinem Geschlecht, seiner Herkunft und seinem familiären Hintergrund nicht erreicht werden. "Arbeitsmarktpolitisch fehlen dann junge, qualifizierte Menschen und gesellschaftspolitisch stellt mangelnde Integration eine Herausforderung für den sozialen Zusammenhalt dar", stellt der Bildungsexperte fest.

Woran man Integration erkennt

Zur Erfassung der schulischen Integration hat Bacher vier Indikatoren verwendet: Schulbesuchsquote, frühe Schulabgangsquote, Besuchs- bzw. Abschlussquote einer maturaführenden Schule und Lehrlingsquote. Eine erfolgreiche schulische Integration liegt laut Experten dann vor, wenn keine Unterschiede in diesen Quoten zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund beobachtbar sind. Untersucht wurden die 15- bis 19-Jährigen, also junge Menschen unmittelbar nach Ende der Schulpflicht. Die Situation vor und während der Covid-19-Pandemie wurde getrennt erfasst. Unterschieden wurde u.a. zwischen drei Zuwanderungsgenerationen: Zweite Generation, Erste Generation mit einem Zuzug im Alter von 0 bis 14 Jahren, also vor oder während der Pflichtschulzeit, und Erste Generation mit einem Zuzug im Alter von 15 bis 19 Jahren, also nach der Pflichtschulzeit. Letzte Gruppe nimmt eine Sonderstellung ein und wird nachfolgend nicht weiterführend betrachtet.

Integrationsfortschritte

Zusammenfassend ergibt sich ein ambivalentes Bild: Integration im österreichischen Schulsystem findet statt, und es lassen sich Integrationsfortschritte zwischen den Zuwanderungsgenerationen beobachten. So z.B. bestehen hinsichtlich der Schulbesuchsquote keine Unterschiede zwischen den autochthonen Jugendlichen (jenen ohne Migrationshintergrund) und jenen der unterschiedlichen Zuwanderungsgenerationen (Eine Ausnahme bildet hier jene Gruppen, der 15- bis 19 jährigen, die also nach der Pflichtschulzeit zugewandert sind). Auch die Lehre ist bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund angekommen, wenn auch auf einem geringeren Niveau. Ferner weist die Zweite Generation bessere Integrationswerte auf als die Erste, die vor oder während der Pflichtschulzeit zuwanderte, und unterscheidet sich – mit Ausnahme der Lehrlingsquote – kaum von den autochthonen Jugendlichen. Sofern Unterschiede beobachtbar sind, lassen sich diese durch die Bildung der Eltern erklären. In der Ersten Generation, die vor oder während der Pflichtschulzeit zuwanderte, ist das nicht der Fall.

Jeder Fünfte hat nur Pflichtschulabschluss

Dieser „positive“ Befund gilt aber nur für den formalen Schulbesuch. Im Leistungsbereich und im erfolgreichen Abschluss einer schulischen Ausbildung bestehen deutliche Unterschiede zu den autochthonen Jugendlichen sowohl in der Ersten als auch in der Zweiten Zuwanderungsgeneration. Das lässt sich aus Ergebnissen internationaler und nationaler Kompetenzmessungen (PIRLS, PISA, BIST-Ü) ableiten und aus dem erworbenen Schulabschluss. So z.B. liegt der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die zumindest partiell die Schule in Österreich besucht und keinen über die Pflichtschule hinausgehenden Abschluss erworben haben, bei den 25- bis 29-Jährigen bei knapp 20%. Jugendliche mit Migrationshintergrund verweilen länger im Schulsystem, schließen dieses aber seltener erfolgreich ab und durchlaufen häufiger eine Abwärtskarriere - heißt: Sie starten zum Beispiel in der Handelsakademie, wechseln dann in die Handelsschule, später in die Lehre, die sie dann auch abbrechen. Bei einigen hat das längere Verweilen im Schulsystem aber auch positive Effekte und wird dazu genutzt, angestrebte Bildungsabschlüsse nachzuholen.

Corona und die Auswirkungen

Bezüglich der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie schließlich zeigen sich starke negative Auswirkungen in der Gruppe der Jugendlichen der Ersten Zuwanderungsgeneration mit einem Zuzug im Alter von 0 bis 14 Jahren.

Die Tatsache, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund im Schulsystem länger verweilen, ist positiv zu sehen und eröffnet Chancen für ihre schulische Integration. Sie gelingt auch bei der Mehrheit, bei der Zweiten Generation besser als bei der Ersten Generation. Allerdings ist der Anteil der frühen Schulabgängerinnen und - abgängern unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund nach wie vor sehr hoch. Die gesellschaftliche Herausforderung, die sich daher aufgrund der Befunde stellt, ist die Frage, wie Chancen besser genutzt werden können, um eine erfolgreiche Integration zu beschleunigen und um Abwärtskarrieren und Schulabbrüche zu vermeiden.

Was zu tun wäre

Das österreichische Schulsystem weist zahlreiche institutionelle Barrieren auf, die eine erfolgreiche schulische Integration erschweren. Das sind laut Bacher: altersmäßig später Eintritt in den Kindergarten, frühe Erstselektion, fehlende Ganztagesschule und fehlende sozial-/bedarfsindizierte Mittelzuweisung.
Durch den Abbau dieser institutionellen Barrieren könnten wichtige Rahmenbedingungen für eine bessere und raschere Integration geschaffen werden. 

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