Womit es die Lipizzaner bis nach Hollywood schafften
Alles Schimmel, oder was? Mitnichten: Sowohl an der Spanischen Hofreitschule als auch im Gestüt Piber leben Lipizzaner, die nicht das bekannte weiße Fell haben.
In Wien trägt etwa Maesto Alma I. dunkelbraun statt weiß – der Hengst gilt wie die beiden ebenfalls dunklen Hengste Pluto Alea IV und Favory Aquileja im weststeirischen Piber als Glücksbringer. Denn so will es die Legende: Solange ein dunkler Lipizzaner im Stall steht, bleibt die Hofreitschule bestehen.
Tatsächlich sind heute fast alle Lipizzaner Schimmel, aber das war nicht immer so: Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts waren sie Schecken, Rappen, Füchse, Braune.
Die Hofreitschule
In einem Dokument wird erstmals 1565 ein Reitareal in der Nähe der Hofburg in Wien erwähnt. Ab 1681 lässt Kaiser Leopold I. dort eine Reitschule errichten, die aber in Folge der „Türkenkriege“ 1683 schwer beschädigt wurde und nie in Betrieb ging. Unter Kaiser Karl VI. begann erneut der Bau einer Reitschule, die 1735 eröffnet wurde: Geplant wurde das Gebäude von Johann Bernhard Fischer
von Erlach, errichtet letztlich von seinem Sohn Emanuel. Das Barockjuwel ist bis heute in seiner
ursprünglichen Form erhalten
Die klassische Reitkunst
2015 wurde die Hofreitschule 450 Jahre alt: In diesem Jahr wurde die klassische Reitkunst der Spanischen Hofreitschule auf die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes genommen.
Die erste Niederschrift
Das bisher nur mündlich überlieferte Wissen um die hohe Reitkunst der Spanischen
Hofreitschule wurde 1898 zum ersten Mal niedergeschrieben
Die Zucht
In Österreich wird mit sechs von weltweit insgesamt acht Hengstlinien sowie allen 17 klassischen Stutenfamilien gezüchtet: Die Stammmütter der Stuten lassen sich bis in das 18. Jahrhundert belegen.
Die Zucht in Lipica
Erzherzog Karl II. von Innerösterreich gründete 1580 in Lipica (im heutigen Slowenien) ein Gestüt, das „Hofgestüt am Karst“. Dort ließen die Habsburger spezielle Pferde züchten, die sie aus Spanien holten
Die Farben
Bis in das 19. Jahrhundert hinein waren die Pferde keine Schimmel, sondern hatten alle Farben.
Erst danach setzte sich das weiße Haar des Arabers durch, das zudem züchterisch bevorzugt wurde. Heute sind mehr als 90 Prozent der Tiere Schimmel
Das Gestüt in Piber
Die Zucht der Lipizzaner in Piber (Weststeiermark) begann 1920: Nach dem Ersten Weltkrieg bekam Österreich 97 von insgesamt 241 verbliebenen Pferden zugesprochen, dieser Teil der Herde kam ins Gestüt Piber. 1942 wurden die Lipizzanerstuten aus Piber wurden wegen des Krieges nach Hostau gebracht, im Mai 1945 folgte eine weitere Verlegung nach St. Martin in Oberösterreich. Auch die Hengste aus der Hofreitschule in Wien wurden dorthin gebracht. 1952 kehrten die Pferde wieder retour nach Piber bzw. Wien.
Das Weiß wurde bewusst gezüchtet
Erst dann setzte sich durch bewusste Züchtung das Weiß durch – der berühmte "Kaiserschimmel" betrat die Bühne. Das Fell der Fohlen und Jungpferde trägt ohnedies alle Schattierungen zwischen braun und schwarz. Erst mit zunehmendem Alter (ab etwa sechs Jahren) setzt sich das Weiß durch.
Viele Majestäten im Stall
Durchsetzungskräftig sind auch die Pferde selbst. "Bei uns im Stall sind sie die Kaiser", beschreiben Betreuer in Piber augenzwinkernd: Lipizzaner gelten als ausdauernd und gelehrig, aber auch als temperamentvoll, kontaktfreudig und menschenbezogen, aber auch als hochsensibel.
Sie hießen nicht immer Lipizzaner
Seit Ende des 16. Jahrhunderts wird diese Pferderasse speziell gezüchtet, auch wenn der Name Lipizzaner erst Jahrhunderte später auftauchte: Die "spanischen Karster" wurden im Gestüt in Lipica im heutigen Slowenien nach den Anforderungen der Habsburger gezüchtet. Kaiser Franz Josef I. ritt übrigens 1867, als er zum König von Ungarn gekrönt wurde, auf einem Lipizzanerhengst auf den Krönungshügel.
Die Pferdeherden mussten mehrmals in Sicherheit gebracht werden. Spektakulär war vor allem ihre Rettung im und nach dem Zweiten Weltkrieg. Erst wurden die Lipizzaner aus Wien und Piber nach Hostau (heute Hostouň, Tschechien) gebracht, doch zu Kriegsende liefen die Pferde Gefahr, geschlachtet oder als Transporttiere eingesetzt zu werden.
Eine filmreife Rettung
US-General George S. Patton, einst Dressurreiter bei den Olympischen Spielen 1912, befahl, die Hunderten Lipizzaner vor dem Zugriff der Roten Armee zu sichern: Unter der Leitung des Colonels Charles Reed wurden sie nach St. Martin in Oberösterreich gebracht, wo bereits die Hengste der Hofreitschule waren.
Natürlich wurde die filmreife Flucht der Lipizzaner verfilmt: "The Miracle of the White Stallions" kam 1963 ins Kino, Hauptrollen spielten neben den weißen Pferden Curd Jürgens, Robert Taylor und Lilli Palmer.
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