300 bis 400 solcher Pläne seien über die Zeit hinweg geschmiedet worden, berichtet die Uni-Professorin. Einer der ersten Vordenker war Anfang des 14. Jahrhunderts Pierre Dubois.
Was hinter der Vision steckte
All diese Pläne haben aber eine auffallende Gemeinsamkeit – sie waren Reaktionen "auf Bedrohung, die von außen kommt. Deshalb sollte sich Europa vereinigen", erläutert die Expertin. Etwa, um das Heilige Land aus den "Händen der Ungläubigen" (so Dubois) zurückzuerobern. Oder aber das von den Osmanen 1453 eroberte Byzanz, wie der böhmische König Georg Podiebrand befand.
Auch in einem weiteren Punkt gab es Parallelen: Kein "Europavisionär", wie Ziegerhofer sie nennt, kann seine Herkunft hintanstellen, also jenen Herrscher, dem er dient, oder jenen Staat, aus dem er kommt.
"Ob in einem König- oder Fürstentum oder später in Nationalstaaten – man wird kaum jemanden finden, der wirklich europäisch denkt. Jenes Land, aus dem der Visionär kommt, soll die Vormacht haben. Daran krankt der europäische Gedanke bis heute."
Die Visionen blieben also bloß Utopien bis weit in das 20. Jahrhundert.
Richard Coudenhove-Kalergi war der Erste, der versuchte, die Vision eines vereinigten Europas zu realisieren: Er gründete im Oktober 1923 in Wien die Paneuropa-Bewegung.
"Aber er ist daran gescheitert, woran es auch heute noch mangelt", überlegt Anita Ziegerhofer. „Die Bürgerinnen und Bürger haben es nicht mitgetragen.“
Nach dem Zweiten Weltkrieg folgten die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl bzw. der Wirtschaftsgemeinschaft.
Was war notwendig?
Doch schon während des Krieges sahen Widerstandskämpfer als einzigen Weg die Abgabe staatlicher Souveränität, etwa in den Bereichen Außen-, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik. Winston Churchill sprach 1946 in seiner Züricher Rede an, was nötig war: "Wir brauchen die Vereinigten Staaten von Europa."
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