Die Geschichte der KPÖ: Zwischen Lenin und Caritas

KPÖ-Ideologe Ernst Fischer schrieb überraschende Ideen zur österreichischen Verfasstheit nieder
Gleich zu Beginn ihrer Geschichte fiel die KPÖ vor allem durch eines auf: Aktionismus. Während der Ausrufung der Republik 1918 holten die Kommunisten die neue rot-weiß-rote Fahne von der Stange vor dem Parlament, schnitten den weißen Streifen heraus, verknoteten den Rest und hissten so eine rote Fahne – Symbol der sozialistischen Republik. Für den Rest der Ersten Republik blieb die Partei, die von einer Handvoll Revolutionären am linken Rand der Sozialdemokratie begründet worden war, bedeutungslos.
Über die Gründe für das Schwächeln meint Historiker Manfred Mugrauer vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): „Schuld war die Übermacht der Sozialdemokratie – damals die mitgliederstärkste Partei der Welt.“ Auch der Verbalradikalismus der Kommunisten habe das seine getan. Weder im Landtag noch im Nationalrat vertreten, machte man sich auf betrieblicher und kommunaler Ebene für kommunistische Ideen stark – ein Umstand, der sich durch die Geschichte der KPÖ ziehen sollte.
Das mit der kommunaler Ebene erinnert ein wenig an die vergangenen Wochen, in denen Kay-Michael Dankl sich aufmachte, den Salzburger Bürgermeistersessel zu erobern. Zum aktuellen Wahlergebnis meint der KP-Kenner:
Ich glaube, dass bei den Wahlmotiven die Auseinandersetzung mit der Geschichte gar keine Rolle gespielt hat.
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)
Ideologie ist out
Ein Schwerpunkt liege im Sozialen: „Die Ideologie steht auf den ersten Blick nicht im Vordergrund. Wir hören weder von Weltrevolution, noch vom Abschaffen des Kapitalismus oder Wirtschafts- und Europafeindlichkeit. Wenn man aber dahinter schaut, ist die KPÖ natürlich noch immer politisch radikal“, analysiert die Historikerin Barbara Stelzl-Marx.
Kommunisten wollen selbstredend den Kapitalismus bekämpfen, meint auch Historiker Hannes Leidinger: „Lenin als ,Friedensbringer‘ wird nach wie vor hochgehalten. Doch der war mitnichten Pazifist. Bei seinem Regime handelte es sich von Anfang an um eine gewaltbereite, den Massenterror legitimierende Diktatur.“ Rechte wie linke Diktaturen hätten gleichermaßen Massenverbrechen zu verantworten. Stelzl-Marx diagnostiziert jedenfalls ein „Herumlavieren, was die dunkle Vergangenheit betrifft, vor allem, wenn es um die Verbrechen des Stalinismus geht“.
Das unkritische Verhältnis zur Sowjetunion und die Rechtfertigung aller Verbrechen seien auch die Gründe, warum die KPÖ über Jahrzehnte keinen Fuß mehr auf den Boden bekam. Latenter Antislawismus und das große Feindbild Rote Armee habe in Österreich ein Übriges getan. Das Stimmungsbarometer schlug immer mehr zugunsten des Westens aus.
Für Mugrauer ist es paradox, dass ausgerechnet „jene Partei, die am stärksten auf die Wiederherstellung Österreichs orientiert war, als antiösterreichische russische Partei stigmatisiert wurde“. Denn mit dem Aufstieg der Austro-Faschisten begann auch die große Zeit der Kommunisten – im Untergrund. In der Nazizeit wurde die mittlerweile verbotene Partei zum Sammelbecken für Widerstandskämpfer.
Überall vertreten
Das wirkte nach. „Dass die KPÖ an der Nachkriegsregierung beteiligt war, ist ihrer wichtigen Rolle im antifaschistischen Widerstandskampf geschuldet“, sagt Mugrauer. Damals waren die Kommunisten übrigens in so gut wie allen Regierungen Westeuropas vertreten, „in Frankreich sogar als stärkste Partei, in Italien als zweitstärkste“.
In Österreich aber attestieren Historiker der KPÖ unisono geringen politischen Stellenwert. Man war von Beginn an in der Defensive: „Nirgendwo hat der Antikommunismus eine derart überragende Rolle gespielt. Die Weichen waren von Anfang an auf Ausgrenzung gestellt“, meint Mugrauer. Nur im ersten Nachkriegsjahrzehnt hatte die KPÖ – auch aufgrund der Präsenz der sowjetischen Besatzungsmacht – innenpolitischen Einfluss. „Nach 1945 war sie am demokratischen Wiederaufbau beteiligt. Man zählte zu den Gründerparteien der Zweiten Republik und saß in der Regierung.“ Fazit des DÖW-Historikers:
Es gibt nur zwei Zugänge – alles, was mit KPÖ zu tun hat, wird entweder dämonisiert oder als Caritas verniedlicht.
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)
Und so fragt sich Historiker Leidinger, warum sich die KPÖ unbedingt das schwere Erbe dieser Gewaltgeschichte antun will. „Es wäre einer derart sozialreformerischen Bewegung anzuraten, sich eine alternative Selbstbezeichnung zuzulegen. Wer will den heute noch mit einer Diktatur des Proletariats liebäugeln?“
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