Klimaforscher Latif: "Es gibt immer etwas, das wichtiger scheint"

Klimaforscher Latif: "Es gibt immer etwas, das wichtiger scheint"
Der renommierte Klimaforscher Mojib Latif erklärt, warum sich die Menschheit mit dem Klimaproblem so schwertut und was wir der Katastrophe noch entgegensetzen können.

Mojib Latif sagt Sätze wie: "Wenn die Auswirkungen zutage treten, dann hat man zu lange gewartet" und meint damit den Klimawandel. "Inzwischen stehen wir mit dem Rücken zur Wand, sehen wir doch, dass es immer dramatischer wird."

Jetzt gehe es an die Lebensgrundlagen, meint der renommierte deutsche Klimaforscher und macht sich in seinen Bücher Luft. Der KURIER hat sein neuestes Buch – Countdown. Unsere Zeit läuft ab – was wir der Klimakatastrophe noch entgegensetzen können – vorab gelesen und den Autor zum Interview gebeten.

KURIER: Herr Latif, auf Seite 11 stellen Sie die entscheidende Frage: Warum kommen wir beim Klimawandel nicht vom Wissen ins Handeln? Die Argumente liegen allesamt auf dem Tisch.

Mojib Latif: Eine Ursache ist die Abstraktheit. Die Atmosphäre ist randvoll mit Treibhausgasen. Wir haben heute einen CO2-Gehalt, den es seit mindestens drei Millionen Jahren nicht mehr gegeben hat. Eigentlich müssten also alle Alarmglocken schrillen. Aber sie tun es nicht, denn wir können das Gas nicht riechen, nicht sehen, nicht schmecken, nicht tasten, nicht hören. Würde sich der Himmel bräunlich einfärben, würden wir sofort sagen: „Nein, das geht gar nicht!“ Doch die Bedrohung ist nicht offensichtlich. – Ein weiterer Punkt ist, dass kurzfristige Probleme immer im Vordergrund stehen. 2007 haben Al Gore und der Weltklimarat den Friedensnobelpreis bekommen. Damals war die Aufmerksamkeit für das Klimathema sehr groß und ich dachte: "Hey, jetzt werden die Dinge, die passieren müssen, politisch angegangen." Dann kam die Finanzkrise und das Klima war wieder unwichtig. Danach wurde die Aufmerksamkeit wieder größer. Doch dann kam Corona. Und danach der Krieg in der Ukraine. Es gibt immer etwas, das scheinbar wichtiger ist, als die langfristige Krise Klimawandel. Aber es bedeutet nicht, dass er weg ist, nur, weil er in der Öffentlichkeit nicht mehr diskutiert wird.

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