Keine klebrigen Finger: Kommt bald das Eis, das gar nicht schmilzt?
Egal, ob Vanille, Zitrone oder Haselnuss: An heißen Tagen schmilzt das Eis im Stanitzel rascher dahin als man es essen kann. Da wäre Eis, das nicht schmilzt, oder zumindest eines, das langsamer schmilzt, ideal.
Doch ist das überhaupt möglich?
Theoretisch ja, sagt Henry Jäger, Leiter des Instituts für Lebensmitteltechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien.
„Will man erreichen, dass Speiseeis bei Wärme weniger schnell flüssig wird, muss man bei den einzelnen Komponenten ansetzen.“
Dazu muss man zunächst wissen, woraus Speiseeis besteht: Meist ist es eine Mischung aus Milch oder Obers für die cremige Konsistenz, Zucker für die Süße, Aromen wie Vanille oder Erdbeere, und Zutaten wie Früchten, Nüssen oder Schokostückchen. Hinzu kommen Stabilisatoren – das sind Zusatzstoffe, die dafür sorgen, dass Farbe, Geschmack, Aroma und Konsistenz beständig bleiben. Emulgatoren sorgen für die cremige Textur und verbessern Konsistenz, Stabilität und Haltbarkeit.
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Nicht zuletzt fehlen dann noch Farbstoffe und Konservierungsmittel. Während Eiscreme einen höheren Fettanteil aufweist, basiert Wassereis auf Wasser und Zucker und kann ohne Milchprodukte hergestellt werden.
„Vor allem bei den verwendeten Fetten oder mithilfe von Stabilisatoren könnte man dafür sorgen, dass sich das Produkt weniger leicht verflüssigt“, erklärt der Lebensmitteltechnologe. Möglichkeit Nummer 1 für weniger Patzerei wäre also das verwendete Fett.
Fett-Alternativen machen Probleme im Mund
Milch- und Kakaofett schmelzen etwa bei Körpertemperatur und sind deshalb am angenehmsten im Mund. Andere Fette wie Kokos- oder Palmfett haben einen höheren Schmelzpunkt – sie werden auch bei Speiseeis eingesetzt, etwa bei manchen veganen Varianten. „Andere Fette sorgen aber für ein anderes Gefühl im Mund – das ist beim Eis relevant. Denn selbst, wenn das Eis nicht tropft, wird es an der Luft wärmer“, betont Jäger. Es kann also ein Fett verwendet werden, das Eis später flüssig werden lässt – es bleibt jedoch nicht länger kalt.
Beispiele, wo über die verwendeten Fette die Schmelzfähigkeit beeinflusst wird, sind etwa Margarine und Schokolade. Bei Margarine kann so die Streichfähigkeit und das Mundgefühl variiert werden, bei Schokolade gebe es zwar zur Kakaobutter wenig Alternativen, allerdings können Teile davon durch Fette mit höherem Schmelzpunkt ersetzt werden, sodass sie erst bei höheren Temperaturen schmilzt. Das ist für den Verkauf in heißen Regionen ein Thema. Sie schmilzt dann aber auch nicht im Mund.
Viel experimentiert wird bei veganen Eissorten.
„Das Ersetzen von tierischen Fetten durch pflanzliche bringt leichte Veränderungen im Geschmack und im Mundgefühl mit sich und ist eine Gewöhnungssache. Wer auf tierische Lebensmittel verzichtet, ist sicherlich offen dafür, dass Alternativprodukte nicht zu 100 Prozent dem Vergleichsprodukt entsprechen – das sehen wir seit Jahrzehnten beim Sojajoghurt“, weiß Jäger. Veganes Eis wird seit Jahren immer beliebter – trotz des anderen Geschmacks. „Bei einem Eis, dessen einziger Benefit ist, dass es nicht tropft, das aber nicht genauso schmeckt und auch nicht kalt bleibt, ist die Frage, ob Konsumenten danach greifen.“
Japanische Forscher tüfteln – und scheitern
Zweiter Ansatzpunkt für langsamer schmelzendes Eis sind Stabilisatoren. Wie bei Wackelpudding kann mithilfe von Geliermitteln Wasser verfestigt werden. Jäger: „Der Eismix ist ursprünglich ja flüssig und wird durch das Gefrieren fest. Mengt man hier Zutaten bei, die Flüssigkeit binden und das Ganze fester halten, würde es nicht so leicht flüssig werden.“
Probiert haben das etwa japanische Forscher. Sie entwickelten ein Speiseeis, das selbst nach einer halben Stunde bei 30 Grad im Schatten noch in Form bleibt. Sie fügten in Milcheis vor dem Einfrieren Polyphenole hinzu – das sind Pflanzenstoffe, aus Erdbeeren. Vereinfacht gesagt, bringen die Polyphenole das Fett dazu, sich wie ein Schutzfilm über die Wasser- und Luftbestandteile im Eis zu legen. Die Fettschicht verlangsamt das Schmelzen – aber mit Einschränkungen: Das Eis fühlt sich gummiartig an und hat eine gelartige Konsistenz. In Japan sorgte die Erfindung kurzzeitig für Erfolg, durchsetzen konnte sie sich nicht.
„Die Sensorik steht beim Speiseeis einfach im Vordergrund, da das Eis kein Lebensmittel, sondern ein Genussmittel ist. Aspekte wie Zucker- und Fettgehalt oder, ob es langsamer schmilzt, werden immer zweite Priorität haben“, sagt Jäger. Sein Tipp: Cremeeis hat eine höhere Viskosität – es wird langsamer flüssig als Wassereis und tropft weniger.
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