Haben Kreuzspinnen bald ausgesponnen?

Der Gartenkreuzspinne flattert zu wenig Nahrung ins Netz.
Das Massensterben der Insekten wirkt sich auf mehr Fressfeinde aus, als bisher gedacht, zeigt eine Schweizer Studie.

Weniger Nahrung, weniger Nachwuchs: Die einfache Rechnung trifft auch auf die Großen Radnetzspinnen zu. Im schweizerischen Mittelland ist die Anzahl der Gliederfüßer in den vergangenen 40 Jahren drastisch zurückgegangen. Als Hauptgrund dafür gilt das sinkende Futterangebot für diese insektenfressenden Tiere. Das zeigt eine Studie von Forschern der Universitäten Basel und Gent, die in der Fachzeitschrift Insects erschienen ist.

Die rund 48.400 bekannten Spinnenarten gehören weltweit zu den wichtigsten insektenfressenden Tieren auf der Erde. Eine Gruppe davon, die Kreuzspinnen, bauen auffällige Radnetze. Als die vermutlich bekannteste und bisher sehr verbreitete Kreuzspinnenart in Europa gilt die Gartenkreuzspinne Araneus diadematus. Ihre bevorzugten Lebensräume sind neben Hausgärten Parks, Friedhöfe, Hecken, Waldränder und Waldlichtungen.

Forschungssubjekt Gartenkreuzspinne

Leicht erkennbar ist die Gartenkreuzspinne durch die helle, kreuzförmige Zeichnung auf der Oberseite ihres Hinterleibs. Die Weibchen dieser Spinnenart, die ausgewachsen und ohne Beine 10 bis 18 Millimeter lang werden kann, bauen Netze mit einem Durchmesser von rund 30 Zentimetern.

Probefläche hochgerechnet

Nun haben die Insektenforscher im Spätsommer 2019 in 20 repräsentativen Lebensräumen die Populationsdichte der Gartenkreuzspinnen im schweizerischen Mittelland ermittelt: Auf Probeflächen von 200 bis 1000 Quadratmetern zählten sie die Spinnennetze und rechneten sie auf die Anzahl Netze pro Quadratmeter um.

Vergleiche

Die Ergebnisse: Im Vergleich mit Daten aus den 1970er- und 1980er-Jahren zeigte sich, dass die Häufigkeit dieser Spinne in alarmierendem Maß abgenommen hat. Die mittlere Populationsdichte in der Schweiz liegt zum Beispiel um 140 Mal niedriger als der frühere europäische Mittelwert.

Unterernährung der Spinnen

In zwei Drittel der untersuchten Probeflächen wurden überhaupt keine Spinnennetze mehr gefunden. Die Netze enthielten im Vergleich zu früheren Studien signifikant weniger Insekten. Zudem erweisen sich die untersuchten Netzfäden als deutlich weniger stark, was auf eine Unterernährung der Spinnen hindeutet.

Futtervorlieben

Die meisten Kreuzspinnenarten ernähren sich beinahe ausschließlich von kleinen Fluginsekten wie Fliegen, Mücken und Blattläusen, die am meisten vom Insektensterben betroffen sind. Dass die Populationsdichte der Gartenkreuzspinne in neuerer Zeit auf sehr tiefe Werte gesunken ist, hat auch eine Studie in Nordbelgien ergeben.

Auch Artgenossen betroffen

Nicht nur die Gartenkreuzspinne, die im schweizerischen Mittelland noch beinahe überall existiert, findet sich in wesentlich niedrigerer Populationsdichte. Auch andere netzbauende Spinnenarten werden heute weniger häufig nachgewiesen als noch im letzten Jahrhundert.

Verarmung der Ökosysteme

"Die Resultate unserer Studie sind ein starker Hinweis auf ein Insektensterben in weiten Teilen Europas", sagt Erstautor Martin Nyffeler von der Universität Basel. Die Untersuchung lasse auch darauf schließen, dass davon zusätzlich andere Tiere betroffen sind, die sich wie die Spinnen von Insekten ernähren: "Wenn Insekten und ihre natürlichen Feinde in ihrer Häufigkeit stark zurückgehen, hat dies eine Verarmung der Ökosysteme zur Folge, was irgendwann zum Kollaps führen kann."

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