Gelber Staub: Außergewöhnliche Baumblüte neigt sich dem Ende zu

Gelber Staub: Außergewöhnliche Baumblüte neigt sich dem Ende zu
Der gelbe Blütenstaub lagerte sich auf Autos und Fenstern ab. Ursache ist ein sogenanntes Mastjahr.

Wochenlang haben in ganz Österreich Massen von gelblichem Blütenstaub Autos, Gartenmöbel und Fenster bedeckt. Nun neigt sich das Phänomen - zumindest in den Städten - dem Ende zu. Der steirische Naturschutzbund-Präsident Johannes Gepp schätzt, dass in den Tallagen rund 80 Prozent der Pollen bereits gefallen sind. Bereits Anfang Mai hatte der Naturschutzbund die sogenannte Mastblüte registriert und deren Häufung in den vergangenen fünf Jahren auf den Klimawandel zurückgeführt.

Überraschende "Übervermehrung"

Vier Wochen später sieht sich Gepp in seiner Vorhersage einer "selten da gewesenen synchronen Übervermehrung" auf ganzer Linie bestätigt. Vom Ausmaß der heurigen Mastblüte ist aber auch er überrascht. "Normalerweise blühen in einem Jahr nur bestimmte Bäume stärker als sonst. Heuer aber haben das alle", so Gepp gegenüber der APA. Die 70 bis 80 Baum- und Straucharten in Österreich seien ausnahmslos betroffen. Sogar bei anderen mehrjährigen Pflanzen und bei exotischen Baumarten in botanischen Gärten könne man eine übermäßige Blüte beobachten. Das haben auch Allergiker und Allergikerinnen in diesem Jahr schon leidvoll gemerkt.

Dazu komme, dass die Mastblüte besonders stark ausgefallen sei. Linden hätten beispielsweise bis zu einer Viertelmillion Blüten und manche mehr Blüten als Blätter, Fichten bis zu 10.000 Zapfen. Diese Last könnte den Nadelbäumen in einem kommenden schneereichen Winter zum Verhängnis werden und zu Baumbrüchen führen. Auch jüngere Bäume, die normalerweise noch nicht blühen, stünden in Blüte und Bäume, die sonst nur im oberen Teil blühen, hätten in allen Teilen Blüten.

Stress für Bäume

Insgesamt bedeute eine derart intensive Blüte für die Bäume Stress und einen großen Energieverlust. Das mache sie anfälliger für Schädlinge wie den Borken- und speziell den Buchdruckerkäfer. Ein weiteres Problem für jene Bäume, die Insekten zum Bestäuben benötigen, sei es, dass es jetzt nicht genug Insekten gebe. Ein drohendes Massensterben von Bäumen sieht Gepp in Österreich vorerst nicht. Dafür sorgten die vergleichsweise reichlichen Regenfälle der letzten Zeit.

Positiv sei aus Sicht des Ökologen, dass die Vermehrungsrate der Bäume heuer sprunghaft ansteigt. "Es wird Billiarden von Jungpflänzchen geben", so Gepp. Diese Jungpflanzen bedeuteten ein unglaubliches Potenzial für die Forstwirtschaft, die Wälder mit gesunden, einheimischen Bäumen klimafit zu machen. Die Forstwirtschaft müsse aber "ihre Aufgaben machen". Eine neue Strategie sei gefragt, so müsse "die Wilddichte radikal herunter", um den jungen Bäumen in ausreichender Zahl die Chance zu geben, hochzukommen.

Auch in anderen Ländern

Das heurige "Mastjahr" lasse sich teilweise mit dem heißen Juni des Vorjahres erklären, so Gepp. Er sieht aber Gründe, "sich das Ganze genau anzuschauen". So sei das Phänomen derzeit auch in anderen Teilen Europas etwa in Deutschland zu beobachten. Sogar auf Fotos aus der kriegsgeschüttelten Ukraine könne man neben zerstörten Häusern "Bäume, die von oben bis unten blühen" erkennen.

Während in Österreich das Schlimmste für Auto-, Balkon- und Gartenbesitzer im Flachland überstanden sein dürfte, geht es in den Bergen zum Teil erst richtig los - die Latschenblüte wird beispielsweise Mitte Juli erwartet. Auch zahlt es sich aus, Gartenmöbel und Gartentextilien gut zu reinigen. "Blütenstaub ist sehr eiweißreich", so Gepp. Dieser ziehe dadurch eine Vielzahl von Mikro-Organismen an und Möbel und Stoffe bekommen ein rascheres Verfallsdatum, gibt der Experte zu bedenken.

Als Mastjahr bezeichnet man Jahre, in denen Bäume mit unregelmäßiger Fruchtbildung (bei Nadelbäumen: Zapfen) besonders reichlich blühen und Samen bilden. Eine derartige Mastblüte ist nur möglich, wenn Bäume im Spätsommer einen Energieüberschuss haben. Die Häufigkeit der Vollblüten ist unter anderem von der Pflanzenart, vom Jahresverlauf der Witterung und vom Standort abhängig.

In der traditionellen Forstwirtschaft in Österreich galten sieben Jahre als ungefähre Richtzahl für Mastblüten, wobei je nach Höhenlage unterschiedliche Baumarten verschiedene Zyklen aufweisen. Bei Eichen beträgt der Zyklus sechs bis zwölf Jahre, bei Fichten, Tannen und Buchen fünf bis sechs Jahre, andere Laubbäume blühen alle drei bis vier Jahre überdurchschnittlich stark. Bei Apfelbäumen sind es in der Regel zwei Jahre.

Bäume geschwächt

Durch die Mastblüte schlägt der Baum einerseits Fressfeinden ein Schnippchen, weil Nagetiere wie etwa Eichhörnchen oder Mäuse nicht alle Früchte (Samen) vertilgen können und so mehr Jungbäume entstehen können. Andererseits wird der Baum durch den erhöhten Energiebedarf geschwächt und somit anfälliger gegen verschiedene Schädlinge und gegen Trockenheit.

Dank der unterschiedlichen Abstände bei den Vollmasten konnten sich parasitierende Insekten in ihrem Entwicklungszyklus bisher nicht auf die Mastjahre einstellen. In den vergangenen fünf Jahren trat bei einigen Baumarten in Österreich und auch anderswo in Mitteleuropa eine Häufung von Vollblüten auf, die vor dem Klimawandel in diesem Ausmaß nicht zu beobachten war.

Der Begriff Mastjahr geht auf den Umstand zurück, dass in früheren Zeiten die Bauern Schweine im Wald Eicheln, Bucheckern und Kastanien fressen ließen. Gab es besonders viele Baumfrüchte, wurden die Tiere gleichsam "gemästet".

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