Zunahme bei Zoonosen
Laut einem kürzlich veröffentlichten Bericht des UN-Umweltprogramms und des International Livestock Research Institute stammen 60 Prozent der menschlichen Krankheiten ursprünglich von Tieren. Oft werden sie auf Nutztiere übertragen, die Erreger an Menschen weitergeben können. Schon vor Covid-19 starben jährlich zwei Millionen Menschen an einer Infektionskrankheit tierischen Ursprungs.
Vor sechs Jahren machten Forscher der Brown University Analysen des Netzwerkes "Global Infectious Disease and Epidemiology" publik. Die Datenbank erfasst über 12.000 Ausbrüche von 215 Infektionskrankheiten, die zwischen 1980 und 2013 in 219 Ländern auftraten. Zwischen 1980 und 1985 fanden knapp 1.000 außergewöhnlich starke Ausbrüche statt, zwischen 2005 bis 2010 fast dreimal so viele.
Nowotny bewertet die Erkenntnisse differenziert: "Zum einen sind unsere diagnostischen Systeme besser geworden. Wir entdecken mehr Infektionskrankheiten als früher. Andererseits ist es tatsächlich so, dass der Mensch immer öfter in direkten Kontakt mit Wildtieren kommt und Viren leichter überspringen können." Etwa in Afrika, wo Wildtier-Lebensraum für Plantagen abgeholzt wird.
SARS ebenso wie SARS-CoV-2 sind vermutlich durch engen Kontakt mit Fledermäusen oder einem tierischen Zwischenwirt auf chinesischen Lebendtiermärken auf Menschen übergesprungen. Thomas Pietsch, Biologe und Wildtierexperte bei der Tierschutzorganisation Vier Pfoten, ortet noch einen zweiten relevanten Trend: "Die Art, wie wir Nutztiere halten, auf engstem Raum und unter schlechten Bedingungen, trägt dazu bei, dass Viren sich rapide vermehren können."
Laut Nowotny spielt die Massentierhaltung als Ausgangspunkt für Zoonosen nur dann eine Rolle, wenn die Tiere veterinärmedizinisch nicht gut kontrolliert werden. "Sie müssen gegen Krankheiten geimpft werden und es muss definierte Hygienestandards geben. Das mündet auch in den Tierschutzgedanken, weswegen es wichtig ist, dass hier genau kontrolliert wird."
Laut RKI fördern veränderte Lebensmittelproduktion und Ernährung die Verbreitung von Zoonoseerregern. Schlachttiere werden oft über weite Strecken transportiert, tierische Produkte großflächig vertrieben. Aufgrund des modernen Reiseverkehrs können sich Erreger innerhalb von Tagen über ganze Kontinente hinweg ausbreiten. Auch der Klimawandel sei teils mitverantwortlich: Höhere Temperaturen könnten die Ausbreitung von Erregern nordwärts begünstigen.
China gilt als Zoonosen-Hotspot. Gepflegt wird dort ein vergleichsweise naher Umgang mit Nutztieren. Manche Wildtiere gelten als Delikatessen und werden frisch auf Märkten gehandelt. Das Potenzial an Viren in Wildtieren als Reservoir sei "enorm", sagt Pietsch.
Erreger bekämpfen
Kürzlich wurden Schweine als Hauptwirte eines anderen neuartigen Coronavirus identifiziert, der menschliche Zellen befallen könnte. Das Swine Acute Diarrhea Syndrome Coronavirus (SADS-CoV) infizierte bisher nur in China Schweine in Zuchtanlagen. Michael Klaffenböck vom Verband Österreichischer Schweinebauern (VÖS), verfolgt solche Meldungen genau: "Ein Vergleich der österreichischen Produktionsstandards ist hier nicht zulässig." Österreich habe im internationalen Vergleich einen hohen Tiergesundheitsstatus und ein effektives Früherkennungssystem für Tierkrankheiten. Der VÖS unterstütze Landwirte laufend, "den hohen Standard bei der Biosicherheit weiter zu verbessern, damit Erregern kein Platz geboten wird".
Nachdem im Mai auch in den Niederlanden Infektionsherde in der Nerz-Zucht aufgetreten waren, wird der Handel dort frühzeitig beendet. Zwar bewertet Nowotny – wie die WHO – die Nerz-Mutationen derzeit als "mäßig bedrohlich". Ein Ende der Farmen sei aber sinnvoll: "Nutztierhaltung unter tierschutzgerechten Bedingungen wird es immer geben. Die Nerzzucht halte ich aber inzwischen für entbehrlich."
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