Relevant seien solche Mutationen auch, weil der menschliche Körper auf die Virusproteine abgestimmte Antikörper produziert. Die Mutationen verändern also die Immunantwort des Organismus, auf der nicht zuletzt auch die laufende Impfstoffentwicklung aufbaut.
Das analysierte Virus der infizierten Nordjütländer hat Berichten zufolge auf die Antikörper gegen SARS-CoV-2 nur schwach reagiert. Kommt es zu einer massiven Übertragung einer derart mutierten Virusvariante auf Menschen, könnte das Impfstoffe in ihrer Wirksamkeit entscheidend schwächen. Bereits errungene Forschungserfolge würden womöglich zunichtegemacht – der Ausgangspunkt für eine neue Pandemie wäre geschaffen.
Auf dieses fatale Szenario macht auch Außenminister Alexander Schallenberg, der bereits mit seinem dänischen Amtskollegen Jeppe Koffod Kontakt aufgenommen hat, aufmerksam. "Wir müssen verhindern, dass Covid-19 zu Covid-20 wird. Wenn sich dieses mutierte Virus weiterverbreitet, würde das Potenzial eines Impfstoffes noch im Reagenzglas zunichtegemacht." Und weiter: "Ich danke den dänischen Behörden für ihr rasches und äußerst verantwortungsbewusstes Handeln zum Schutz von uns allen. Durch dieses konsequente und beeindruckende Agieren kann verhindert werden, dass Europa der Ursprung einer neuen Mutationswelle ist."
Keine voreiligen Schlüsse
Dänische Medien sprechen bereits von einem "zweiten Wuhan". Virologe Nowotny warnt vor voreiliger Panikmache: "Die neuen Daten zu der Mutation sind noch nicht publiziert." Es könne aber sein, dass die Evolution von SARS-CoV-2 in Menschen und Nerzen unterschiedlich verläuft. "Deswegen ist es wichtig, dass die Virusgenome in den Tieren genau analysiert werden."
Dass nun Millionen Tiere getötet werden, entspreche dem gängigen Vorgehen bei Tierseuchen oder Zoonosen (von Tier zu Mensch und von Mensch zu Tier übertragbare Infektionskrankheiten, Anm.): "Bei Tieren wird durchaus scharf reagiert. So kann eben auch die Tötung von Tieren notwendig sein, um die Infektion einzugrenzen oder – wie in diesem speziellen Fall – die Ausbreitung der Mutation zu stoppen."
Niederlande ebenfalls betroffen
Im Mai gerieten Nerze in den Niederlanden erstmals ins Visier der dort zuständigen Gesundheitsbehörden. Damals breitete sich SARS-CoV-2 auf mehreren Nerz-Zuchtfarmen im Land aus. Als Infektionsquellen identifizierte man Mitarbeiter der betroffenen Betriebe. Sie übertrugen das Virus auf die Nerze, die infolge Symptome wie Magen-Darm-Problemen und Atemnot entwickelten. "Schon im Mai stand damit fest, dass die Raubtiergattung der Marderartigen, zu der neben Frettchen eben beispielsweise auch Nerze gehören, für das neuartige Coronavirus empfänglich sind", erklärt Nowotny.
Unklar war anfänglich, ob die Tiere, die wegen ihres dichten, flauschigen, wasserabweisenden Fells für die Pelzzucht attraktiv sind, die Infektion ihrerseits an gesunde Menschen rückübertragen können. In den Folgewochen wurde in den Niederlanden über einige wenige Ansteckungsfälle bei Menschen berichtet, in denen die Nerze Überträger gewesen sein sollen. "Zu Beginn der Pandemie wurde auch eine Handvoll Fälle dokumentiert, in denen als Haustiere gehaltene Hunde und Katzen sich bei ihren Haltern mit dem Virus angesteckt hatten. Sie haben die Infektion aber nicht in ihrer Tierart weiterverbreitet und in keinem Fall an den Menschen weitergegeben", sagt Nowotny. "Im Gegensatz dazu wird die Infektion innerhalb der Nerzpopulation sehr wohl weitergegeben."
Im September berichteten niederländische Wissenschafter in einem noch nicht von Experten begutachteten Artikel schließlich, dass das Virus vom Nerz auf den Menschen übersprang. Als Reaktion beschloss die niederländische Regierung, das Geschäft mit der haarigen Tierhaut vorzeitig zu beenden. Bereits 2012 wurde ein Verbot derartiger Pelzfarmen beschlossen, bis 2024 hätte es somit keine mehr geben sollen. Für die Züchter wurden finanzielle Entschädigungen vorgesehen.
Auch in Spanien und den USA kam es zu Infektionen bei Nerzen. In beiden Ländern wurden infolge Tausende Tiere getötet.
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