Alte Apfelsorten wären für uns heute ungenießbar

Alte Apfelsorten wären für uns heute ungenießbar
Kanadischer Forscher sind dem Urapfel auf die Spur gekommen. Sie haben untersucht, wie er sich von heutigen Sorten unterscheidet.

Knapp 18 Kilogramm Äpfel isst ein Österreicher bzw. eine Österreicherin im Jahr. Doch Elstar, Gala und Jonagold haben mit ihren aus Asien stammenden, wilden Vorläufern kaum noch etwas gemein: Sie sind größer, weniger sauer, fester und wahrscheinlich auch weniger gesund, so das Ergebnis einer Studie kanadischer Wissenschaftler, über die im Fachblatt Plos one berichtet wird.

Die Forscher hoffen, dass ihre Analysen bei der Züchtung neuer Sorten helfen könnten, in denen speziell die gesundheitsfördernden Eigenschaften der wilden Verwandten wieder zum Tragen kommen.

Die heutigen, kultivierten Äpfel gehen vermutlich auf den Asiatischen Wildapfel (Malus sieversii) zurück, der seinen Ursprung im heutigen Kasachstan hat. Anhand von Genom-Analysen zeigten Wissenschaftler 2017 im Fachblatt Nature Communications, wie sich dieser über die Seidenstraße nach Westen und Osten ausbreitete.

Große Früchte

Allerdings entwickelten jene wilden Apfelbäume vermutlich schon Millionen Jahre vor ihrer Kultivierung vergleichsweise große fleischige Früchte, um für große Säugetiere oder Hirsche eine attraktive Nahrungsquelle darzustellen.

Doch was haben heutige, kultivierte Äpfel (Malus domestica) noch mit ihren wilden Vorfahren zu tun? Recht wenig, zeigt die aktuelle Studie der kanadischen Dalhousie University. Ein Team um den Genetiker Sean Myles untersuchte zehn Merkmale von Früchten der kanadischen "Apple Biodiversity Collection" (ABC), die mehr als 1000 verschiedene Apfelsorten umfasst, darunter 78 Vertreter des Wildapfels Malus sieversii.

Weniger sauer

Eine weitere Vorliebe von Verbrauchern würde auch Geschmacks- und Größenunterschiede zwischen wilden und domestizierten Äpfeln erklären: Letztere seien im Durchschnitt 3,6-mal schwerer und hätten 43 Prozent weniger Säure, berichten die Forscher.

Noch deutlicher sind die Unterschiede beim Gehalt an Polyphenolen. Diese aromatischen Verbindungen gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen, denen eine antioxidative und gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt wird. Ihr Gehalt sei in Kulturäpfeln um durchschnittlich 68 Prozent geringer als in den analysierten Wildäpfeln, so die Wissenschaftler. Wahrscheinlich sei auch dieser Befund auf Verbraucherpräferenzen zurückzuführen, denn ein hoher Phenolgehalt bedeute, dass Äpfel weniger süß schmeckten und schneller braun würden.

Die Wirkung von Polyphenolen

Aber macht dieser Befund heutige Äpfel auch weniger gesund als deren wilde Vorfahren? Für Hauptautor Sean Myles durchaus eine berechtigte Aussage – auf Nachfrage zitiert er aus einer im Fachblatt Biotechnology Reports veröffentlichten Studie: "Pflanzenphenole gelten als lebenswichtiger Bestandteil der menschlichen Ernährung und weisen eine enorme antioxidative Wirkung sowie andere gesundheitliche Vorteile auf."

Epidemiologische Erkenntnisse deuteten darauf hin, dass eine an antioxidativem Obst und Gemüse reiche Ernährung das Risiko vieler mit oxidativem Stress verbundener Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich verringere. Myles folgert: "Man kann also mit Sicherheit sagen, dass der gesundheitliche Nutzen, den wir heute aus Apfelpolyphenolen ziehen, wahrscheinlich geringer ist als der gesundheitliche Nutzen, den die Menschen in der Vergangenheit aus Apfelpolyphenolen zogen."

Zwei separate Gruppen

Insgesamt, so das Fazit der aktuellen Studie, hätte die Domestizierung des Apfels zu einer kontinuierlichen Abweichung zahlreicher Merkmale des Kulturapfels von seinem wilden Vorläufer geführt, so dass die beiden fast vollständig als zwei separate Gruppen unterschieden werden könnten.

Eine Wiederannäherung würde sich aber lohnen, wie die Autoren schreiben: "Züchter könnten beispielsweise den hohen Phenolgehalt von Wildäpfeln nutzen, um die Nährstoffqualität von Kulturäpfeln zu verbessern."

Darüber hinaus könnten die Eigenschaften wilder Apfelsorten möglicherweise der Apfelwein-Industrie zugute kommen, die einen hohen Säure- und Phenolgehalt schätze.

Kommentare