3.000 Jahre alte Haar-Proben: Auch in der Bronzezeit war man schon high

Alte menschliche Haarsträhnen, die in einer Grabstätte auf der Insel Menorca gefunden wurden, enthielten Spuren von Alkaloidsubstanzen, von denen bekannt ist, dass sie veränderte Bewusstseinszustände hervorrufen.
Brandneue Analysen von uralten Haarsträhnen zeigen: Schon in der Bronzezeit ließ man sich von Drogen berauschen.

Die Bronzezeit gilt als eine der innovationsreichsten Perioden der Menschheitsgeschichte. Meilensteine der Zivilisation, etwa die Erfindung der Bewässerung oder des Rades, prägten die Zeit. Die aufkommende Herstellung von Waffen und Werkzeugen aus langlebigem Metall verlieh der Ära ihren Namen.

Neueste archäologische Funde beweisen nun: Ihr Innovationsgeist verleitete die Menschen in der Bronzezeit auch zum Konsum berauschender Substanzen.

Haargenaue Untersuchungen

Bei den Relikten handelt es sich um Haarsträhnen, die in einer vormals verschlossenen Höhle auf der Baleareninsel Menorca entdeckt wurden. Zwar sind die Haare über 3.000 Jahre alt. Dank modernster Testverfahren konnten aber Rückstände bewusstseinserweiternder Substanzen dokumentiert werden.

Die Ergebnisse wurden diese Woche im Fachblatt Scientific Reports veröffentlicht. Sie liefern den ersten direkten Beleg dafür, dass Drogen auf dem europäischen Kontinent ebenso früh konsumiert wurden wie etwa in den frühen Hochkulturen Mittelamerikas.

Ephedrin, Atropin, Scopolamin

Für die beteiligten Forschenden sind sie durchaus überraschend: Im Inneren der Höhlen selbst habe man keine Spuren gefunden, die auf den Konsum psychoaktiver Substanzen hingedeutet hätten. Chemische Haaranalysen wiesen jedoch Reste dreier Alkaloide nach: Ephedrin, Atropin und Scopolamin.

Die Substanzen kommen in der Pflanzenwelt Menorcas natürlich vor: Atropin und Scopolamin, beides stark wirksame Halluzinogene, sind in Nachtschattengewächsen enthalten, darunter die Alraune, das Bilsenkraut und der Stechapfel. Die Ephedra-Pflanze ist ein Lieferant für Ephedrin, das wegen seiner amphetaminähnlichen und somit berauschenden Wirkung als Droge gilt.

Keine moderne Praxis

"Die Ergebnisse sind einzigartig", wird Anthropologin und Studienhauptautorin Elisa Guerra-Doce von der spanischen Universität Valladolid in der New York Times zitiert. "Wenn Menschen an Drogen denken, stellen sie sich manchmal vor, dass es sich dabei um eine moderne Praxis handelt. Unsere Ergebnisse erzählen eine andere Geschichte."

Guerra-Doce und ihr Team sahen ganz genau hin: Die Art und Weise, wie die Strähnen von den Drogenrückständen durchzogen waren, deutet den Forschenden zufolge darauf hin, dass die Substanzen über einen Zeitraum von einem Jahr und lange vor dem Ableben der Menschen konsumiert wurden.

Vergrabene Schätze 

Die Naturhöhlen von Es Càrritx auf der Insel Menorca wurden in den Neunzigern entdeckt und geöffnet. Sie lieferten schon damals spektakuläre Entdeckungen: Überreste von mehr als 200 Menschen, die im Laufe von sechs Jahrhunderten dort beigesetzt wurden. Regelrechte Schätze enthielten die geborgenen röhrenförmigen Holzkisten, in denen man rot gefärbte Haarbüschel fand.

Über die Gründe für den Drogenkonsum kann man nur Mutmaßungen anstellen. Naheliegend ist der Gebrauch für medizinische Zwecke und rituelle Zeremonien, wie er in vielen Kulturen seit Jahrhunderten Tradition ist.

Hypnotische Kreise

Die Gewächse dürften jedenfalls die Kreativität der Menschen beflügelt haben: Auf den Kisten fand man hypnotisch anmutende Musterungen, eine Reihe konzentrischer Kreise etwa. Wie aus einem halluzinogenen Traum.

Ephedrin ist ein Stimulans und wirkt anregend auf den Organismus. Der aufputschende Effekt sorgt für geistige Klarheit und Wachheit. Atropin und Scopolamin rufen Halluzinationen und außerkörperliche Erfahrungen hervor. In hohen Dosen kann Atropin zu Atemversagen und Lähmungen sowie zum Tod führen.

Der italienische Ethnobotaniker Giorgio Samorini, der sich auf die Archäologie psychoaktiver Pflanzen spezialisiert hat und nicht an der Studie beteiligt war, zeigte sich gegenüber der New York Times begeistert von den Ergebnissen. Sie würden sich in eine wachsende Zahl an Beweisen einreihen, die darauf hindeuten, dass Halluzinogene weltweit ein integraler Bestandteil alter Kulturen waren.

Für ihn deuten die Funde darauf hin, dass die Drogen im Zuge eines religiösen Rituals konsumiert wurden: "Das diente nicht der profanen 'Suche nach einem Hoch', sondern ganz allgemein die Suche nach existenzieller Bedeutung."

Einziger Wermutstropfen: Den Strähnen fehlen die Haarwurzeln, was weiterführende DNA-Analysen – etwa, um das Geschlecht der Höhlennutzer zu ermitteln – verunmöglicht.

Kommentare