Weihrauch bis Zimt: Die Wissenschaft der Weihnachtsdüfte
Wenn man beim Genuss von Zimtsternen die Vorfreude auf Weihnachten förmlich spüren kann, ist das kein Zufall. Gerüche und Geschmäcker schreiben sich von Kindesbeinen an auf bedeutsame Weise in die Gefühlswelt ein. Sie lösen – meist völlig unbewusst – positive wie negative Emotionen aus.
Der Mensch besitzt über seine Neurophysiologie die Fähigkeit, die Umwelt auf unterschiedlichen Sinnesebenen wahrzunehmen und sich so darin zu orientieren, weiß Sandra Holasek, Ernährungsexpertin an der Med Uni Graz: "Der Geruchs- und Geschmackssinn ist hier massiv involviert, weil im gesamten menschlichen Organismus – vor allem im Verdauungstrakt, der ja im Mund beginnt – entsprechende Sensoren vorhanden sind", erklärt sie im KURIER-Gespräch. "Alles, was mit Geruch und Geschmack in Zusammenhang steht, ist deswegen besonders einprägsam für uns."
Das kann man an sich selbst testen: Ruft man Erinnerungen ab, spielen meist auch olfaktorische oder kulinarische Komponenten eine Rolle. "Bei einem sozialpsychologisch so markanten Ereignis wie Weihnachten, wo eine enorme Dichte an Reizen auf uns einprasselt, werden schon in der Kindheit kognitiv Geruchs- und Geschmackskonserven angelegt, die uns ein Leben lang begleiten", sagt Holasek, die die Forschungseinheit "Nutrition and Metabolism" am Grazer Otto Loewi Forschungszentrum leitet.
Was hinter typischen Weihnachtsaromen steckt:
- Zimt
Ob in der Duftkerze, im Tee, dem Weihnachtsgebäck oder der Bratensoße: Zimt ist in der Zeit um den Heiligen Abend allgegenwärtig. Dem Gewürz, das aus der Baumrinde des Ceylon-Baumes oder anderer Zimtbäume gewonnen wird, wird in Studien eine stimmungsaufhellende Wirkung attestiert. In einigen Humanstudien wurden positive Wirkungen auf den Magen-Darm-Trakt nahegelegt. "Solche Effekte lassen sich, wenn überhaupt, nur durch Supplementen erziele und nicht durch die alltägliche Würzung von Speisen", betont Holasek.
Diskutiert werden immer wieder potenziell schädliche Wirkungen: Demnach kann Cumarin, ein im Zimt enthaltender Pflanzenstoff, negative Auswirkungen auf die Leber haben. Allerdings muss der Stoff dafür über längere Zeit in größeren Mengen aufgenommen werden. In Tierversuchen hat die langfristige Gabe von Cumarin in hohen Dosen krebsauslösende Wirkungen gezeigt. Beim Menschen gibt es keine Hinweise auf eine cumarinbedingte Tumorentstehung. "Falls größere Mengen an Zimtgewürz verzehrt werden, sollte Ceylon-Zimt, der deutlich niedrigere Cumarin-Gehalte aufweist, verwendet werden", rät Holasek.
Bei gemahlenem Zimt verrät der Verpackungsaufdruck, welche Zimtsorte verwendet wurde. Zimtstangen lassen sich anhand der Dicke der Blätter unterscheiden: "Ceylon-Zimt weist wesentlich dünnere Blätter auf", beschreibt die Expertin. Kinder sollten Grießkoch oder andere Speisen mit nicht mehr als einem halben Teelöffel Zimt (0,5 Gramm) am Tag verzehren.
- Zitrusfrüchte
Mandarinen finden sich als gesunde Gabe in jedem Nikolaussackerl. Die Zeste der Zitrone gehört in viele Teige, Orangenaromen finden sich in Glühweinen und weihnachtlich angehauchten Speisen. Das enthaltene Vitamin C ist wichtig für die Abwehrkräfte. Tatsächlich existieren aber keine aussagekräftigen Studien, die einen präventiven und therapeutischen Nutzen des Mikronährstoffs belegen, wenn er ohne bestehenden Mangel im Übermaß konsumiert wird.
Neben Vitamin C enthält die Mandarine allerdings auch die Vitamine B1, B2, B3, B9 (gut fürs Nervensystem) und Vorformen von Vitamin A (gut für die Sehkraft). "Vitamin C unterstützt allerdings auch die Aufnahme von Eisen und kann bei Erkältungen in höherer Dosierung symptomlindern wirken", sagt die Expertin. Um den Vitamin-C-Bedarf zu decken, sollte man sich nicht nur auf die Mandarine verlassen, sondern noch auf andere Vitamin-C-Bomben wie gefrorene Beeren, Petersilie, Sauerkraut, Kren, Paprika oder Grünkohl bzw. Kohlsprossen setzen.
- Vanille
Nicht nur im allseits beliebten Vanillekipferl ist das Extrakt der Vanilleschote ein unverzichtbarer Aromagarant. In Laboruntersuchungen hat sich die wegen ihres Preises auch Königin der Gewürze genannten Vanille als entzündungshemmend und zellschützend erwiesen.
"Die Vanille wird als süß wahrgenommen, verstärkt somit diese Geschmacksvariante und könnte eigentlich zum Zuckersparen bei Rezepten eingesetzt werden", weiß Holasek. Vanillekipferl und Co. enthalten gehaltvolle Zutaten wie Butter, Zucker oder Nüsse. "Mit durchschnittlich 30 bis 60 Kalorien pro Stück bilden sie nicht gerade die Grundlage einer gesunden Ernährung", erklärt die Ernährungsexpertin. Ihr Suchtfaktor ist keine Einbildung: "Butter bewirkt bereits eine Dopaminausschüttung im Gehirn, sobald man den Keks in den Mund nimmt. Dieser Prozess wird durch die kurzkettigen Fettsäuren in der Butter und das Knuspern auf der Zunge ausgelöst."
- Weihrauch und Myrrhe
Traditionell beliebte Duftnoten in der Weihnachtszeit sind Weihrauch und Myrrhe. Das Harz des Weihrauchbaums wird seit Jahrhunderten in der indischen Ayurveda-Medizin als Heilmittel eingesetzt, jüngst auch wissenschaftlich dazu geforscht. "Drahtzieherin der pharmakologischen Wirkung von Weihrauchharz dürfte die sogenannte Boswelliasäure sein", sagt Holasek. In Tiermodellen zeigten sich Hinweise auf vielversprechende Wirkungen, etwa bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, Sportverletzungen und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Solide klinische Studien am Menschen fehlen.
In den letzten Jahren hat sich auch das Interesse an Myrrhe gesteigert. Als erwiesen gilt die Wirkung des biblisch bedeutsamen Pflanzenharzes bei Colitis ulcerosa. Myrrhe ist eine wesentliche Komponente des schon mehrere Jahrzehnte zugelassenen Kombinationspräparats aus Myrrhe, Kamille und Kaffeekohle. Studien deuten auch auf positive Effekte auf die Darmbarriere sowie bei Blähungen und Durchfall hin.
Bei Beschwerden oder bestehenden Erkrankungen, das betont Holasek, gelte es die entsprechenden Substanzen jedenfalls nur nach ärztlicher Abklärung einzusetzen.
Kommentare