Wiener Firma: Wirkstoff stoppt offenbar Fortschreiten von Alzheimer

Der Wiener Biotech-Firma Affiris könnte mit ihrem Wirkstoff ein Durchbruch in der Behandlung von Alzheimer gelungen sein
In einer Studie konnte ein neuer Wirkstoff gegen Alzheimer bei 47 Prozent der Behandelten für mindestens 18 Monate den Krankheitsverlauf stabilisieren. Für ein endgültiges Urteil ist es aber noch zu früh.

„Das Fortschreiten von Alzheimer wird durch unseren Wirkstoff gestoppt“, heißt es bei einer Wiener Biotech-Firma, doch Mediziner sind noch zurückhaltend – zu viele Fragen seien offen. Die Rede ist von Studienergebnissen, die Mittwoch das Unternehmen Affiris präsentierte: Demnach habe der „firmeneigene Wirkstoff AD04“ bei 47 Prozent der damit behandelten Alzheimerpatienten (rund 60 Personen) den Krankheitsverlauf für mindestens 18 Monate stabilisiert. Gleichzeitig sei auch der Abbau des Hippocampus – der für das Gedächtnis verantwortlichen Hirnregion – gestoppt worden.

Das Überraschende: Dieser Erfolg wurde nicht bei jenen Studienpatienten erzielt, die einen der beiden von Affiris entwickelten und in der Studie getesten Alzheimer-Impfstoffe erhielten (auch die zeigten Effekte, aber in geringerem Ausmaß). Sondern das vermeldete Ergebnis zeigte sich in einer Gruppe, die nur ein Placebo (Scheinmedikament) erhielt. Also bei Patienten, die zur Absicherung der Ergebnisse mit den eigentlichen Impfstoffen eine vermeintlich wirkungslose Lösung injiziert bekamen.

Affiris-Vorstand Walter Schmidt: „Es war eine Zufallsentdeckung, so wie auch die Entdeckung von Penicillin und Viagra ein Zufall war. Es war nicht bekannt, dass diese Substanz eine Wirkung zeigt.“ Um einen Placeboeffekt (positive Auswirkungen, die nicht durch einen Wirkstoff ausgelöst werden) könne es sich nicht handeln, da sich nicht nur die Symptome der Patienten stabilisierten, sondern sich auch messbare Effekte beim Erhalt des Volumens des Hippocampus zeigten. Worum es sich bei der Substanz genau handelt, wollte Affiris wegen geplanter Patentanmeldungen noch nicht sagen.
Normalerweise wird bei Injektionen als Placebo eine Kochsalzlösung verwendet – doch diese ist klar, der getestete Impfstoff aber trüb. Deshalb wurde dem Scheinmedikament noch eine Substanz zugefügt, die für eine Trübung sorgte, bisher aber als wirkungslos galt und „auch in Zusammenhang mit Grippeimpfstoffen“ verabreicht wird.

Skepsis

Sehr vorsichtig äußert sich Univ.-Prof. Peter Dal-Bianco, Alzheimer-Experte an der MedUni Wien und Präsident der Österr. Alzheimergesellschaft: „Zuerst müssen diese Daten publiziert werden, dann stehen sie zur öffentlichen Diskussion.“ Die Frage sei, ob die Patientengruppe groß genug und der Beobachtungszeitraum lang genug waren, um ein Zufallsergebnis auszuschließen. „Und es muss veröffentlicht werden, um welchen Wirkstoff es sich handelt und welche Hypothesen es für die Wirkung gibt.“

Natürlich wäre es ein großer Erfolg, wenn größere Studien die Ergebnisse bestätigen würden. „Dann wäre das ein Wundermittel.“ Allerdings gab es gerade in der Alzheimer-Forschung bereits sehr viele Rückschläge: „Im Moment ist es ein Silberstreif am Horizont, der hoffentlich keine Fata Morgana ist.“

In Österreich sind derzeit rund 130.000 Menschen an einer Demenz (der Großteil davon an Alzheimer) erkrankt. Bis 2050 könnten es an die 240.000 sein. Das wären dann rund vier Prozent der Gesamtbevölkerung bzw. rund 25 Prozent der Über-80-Jährigen.

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