Paragrafen
„Das österreichische Tierschutzgesetz regelt schon sehr viel. So weit wie Großbritannien geht es nicht“, sagt Veronika Weissenböck, Kampagnenleiterin von Vier Pfoten. Im heimischen Paragrafendschungel sind Tiere als Mitgeschöpfe definiert, deren Leben und Wohlbefinden zu schützen ist. Ob Nutz-, Haus- oder Wild- – niemand darf einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden, Schäden oder Angst zufügen. Schweine in Massentierhaltung, die sich stressbedingt blutig knabbern, sind trotzdem nicht verboten. Ferkel, von denen wenige den typischen Ebergeruch entwickeln, dürfen legal ohne Betäubung kastriert werden. Schlachttiere, die beim Transport unter Hunger, Durst, der Enge und mitunter gebrochenen Gliedern leiden, können trotzdem gesetzeskonform durch die Lande gekarrt werden.
„Tierhalteverordnungen, die teilweise dem Tierschutzgesetz widersprechen, schreiben die Details fest. Die Bestimmungen im Allgemeinen und die Novellierungen sind oft schwammig formuliert“, erklärt Weissenböck. Das Landwirtschaftsministerium hinterlasse in vielen Fällen eine deutlichere Handschrift als das Gesundheitsministerium. Ein Privathaltungsverbot von Braunbären findet eher eine Mehrheit als ein Verbot von Vollspaltböden, wo Tiere tagein tagaus auf Beton über der eigenen Gülle statt auf Stroh stehen.
Recht ist zu lasch
„Das Recht ist in vielen Bereichen zu lasch. Und es wird nicht genug kontrolliert“, kritisiert auch Sebastian Bohrn Mena, Initiator des Tierschutzvolksbegehrens 2021 und Sprecher der Bürgerinitiative oekoreich, die Diskrepanz zwischen der Theorie auf geduldigem Papier und der Praxis hinter verschlossenen (Stall-)Türen bzw. auf der Straße. Der wirtschaftliche Druck zwinge Produzenten oft dazu, das eigene Überleben über das Tierwohl zu stellen. Bohrn Mena: „Beim Schwein sind wir überhaupt nicht gut unterwegs.“ Genauso wenig wie die EU. Oder die USA oder Asien. In China und Indien gibt es kaum bis gar keine Regelungen in Sachen Tierrechte. Dabei tragen gerade internationale Handelsbeziehungen häufig zum unwürdigen Leben und Sterben der Fleisch-, Milch- und Ei-Lieferanten bei.
Bio-Milch
„Bei den Kühen sind wir schon viel weiter als andere europäischen Staaten“, hebt Bohrn Mena hervor. Zwanzig Prozent der Milch, die zwischen Boden- und Neusiedler See hergestellt wird, ist Bio-Qualität. Weltspitze. Gentechnisch veränderte Futtermittel und billiges Soja aus dem Regenwald sind hierzulande kein Thema. Auch Turbokühe, wie z. B. in Deutschland gemolken werden, gibt es in Österreich nicht mehr.
„Bei den Legehennen sind wir Vorreiter“, freut sich Weissenböck über eine „absolute Erfolgsgeschichte“. Hennen – nachgewiesen sozial, empathisch und klug – sitzen seit 2009 nicht mehr in konventionellen Legebatterien; ausgestaltete Käfighaltung ist seit Beginn des Vorjahres abgeschafft. Kein einziges Frisch-Ei made in Austria kommt aus einem Käfig. Im Rest der EU liegt der Anteil noch bei mehr als 50 Prozent.
Vorbildwirkung
Auch Großbritannien hat beim Federvieh Aufholbedarf. Darüber hinaus will das Königreich mit einem Exportverbot von lebenden Tieren, einem Importverbot von Pelz und Jagdtrophäen, mit höheren Strafen auf Tierquälerei und einer Chip-Pflicht für Hauskatzen nun nach dem Brexit neue Maßstäbe setzen. Das „Signal an die Welt“ wird vermutlich im Juni 2021 in Kraft treten. Das Parlament in Wien hat den Tierschutz wegen 416.000 Unterschriften beim Volksbegehren noch bis September auf seiner Agenda. Eine Chance für Schwein & Co.
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