Was heute wie ein bescheidener Wunsch klingt, war damals revolutionär: Ohne entsprechende Ausbildung, ohne akademischen Grad Feldforschung betreiben. Überhaupt Feldforschung – wer braucht das? Als Goodall mit ihrer Arbeit begann, beschränkte sich die Schimpansen-Forschung auf die am toten Objekt. Die einzige Studie stammte von einem Mann, der mit einem Heer von Trägern durch den Urwald getrampelt war – ganze zweieinhalb Monate. Goodalls Langzeitstudie sollte über Jahrzehnte gehen.
Was sie beobachtete, sollte unser Bild vom seelenlosen Tier und damit auch unser Menschenbild revolutionieren: David Greybeard (Jane hatte ihren Schimpansen Namen gegeben, damals in der Verhaltensforschung verpönt; eine Nummer tat’s auch) gebrauchte, um an seine Termiten heranzukommen, Werkzeuge. Aufschrei von Seiten der Wissenschaft und der Theologie: Die Einzigartigkeit des Menschen war infrage gestellt. Auch beschrieb die Forscherin sie als lebhafte Persönlichkeiten – wieder eine Todsünde: Nur Menschen besaßen Persönlichkeit. Sie erkannte aber auch, dass Schimpansen keineswegs die besseren Menschen sind, da gab es Mord und Kannibalismus.
Mit geschickten Experimenten wiesen Wissenschafter immer deutlicher nach, dass die Krone der Schöpfung gar nicht so einmalig ist. „Nichts, was wir tun, ist wirklich einzigartig“, resümierte Frans de Waal 2008 nach Jahrzehnten intensiver Beobachtung von Schimpansen und Bonobos. So wurzelt etwa das Gespür für richtig und falsch im Tier: Ein Zooschimpanse etwa ertrank lieber selbst, als ein Jungtier untergehen zu lassen. Natürlich sei diese Moral nicht mit der menschlichen vergleichbar, sie habe sich aber sicher daraus entwickelt, meint de Waal.
Mitleid
2006 der nächste Schlag: Kanadische Psychologen entdeckten, dass Mäuse zu empathischem Verhalten fähig sind: Sie litten mit, wenn Artgenossen Schmerzen hatten. Noch beeindruckender: Die Studie, in der Ratten auf die sehr begehrte Schokolade verzichteten, um einen Artgenossen aus einer Falle zu befreien. Heute ist der niederländische Verhaltensforscher de Wall überzeugt, dass „alle Tiere, die in sozialen Gruppen leben und voneinander abhängig sind, Solidarität und Kooperation brauchen. Sie haben auch Moral“.
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