Wetter-Chaos in Österreich: Welche Prognosen Sie vergessen können

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Vorhersagen haben ihre zeitlichen Grenzen, erklären Experten. Oft gebe es nur eine vorgetäuschte Genauigkeit. Und: So wird das Wetter weiterhin.

Die Hitzewelle für den Juli war schon vorausgesagt. Also quasi fix, genauso wie das Hochwasser in den Alpen. Die Aufregung in Sozialen Medien ist bisweilen groß, wenn es um Wetter geht. Wochen im Vorhinein wird gewarnt und geschrieben. 

Aber wie realistisch ist so ein Blick in die Zukunft auf der Handy-App?

Da wird eine Genauigkeit vorgetäuscht, die auch mit modernsten Vorhersagemethoden der Meteorologie gar nicht möglich ist. „Da das Wetter ein chaotisches System ist, lässt die Prognose im Lauf der Zeit nach“, erklärt Nikolas Zimmermann vom Wetterdienst Ubimet.

Prognosegüte

Dennoch werden Vorhersagen aufgrund technischer Entwicklungen und Rechnerleistungen immer besser. Pro Jahrzehnt gewinne man einen Tag Vorhersagegenauigkeit dazu. Was das aktuelle Wetter betrifft, betont Meteorologe Christian Csekits von Geosphere Austria (früher ZAMG) auf der Hohen Warte in Wien: „Drei-Tages-Prognosen liegen heute bei einer Genauigkeit von 95 Prozent, bei fünf Tagen sind es noch immer 75 Prozent. Danach geht die Prognosegüte so weit nach unten, dass man es als Prognose schon wieder vergessen kann.“

Um möglichst exakte Vorhersagen abgeben zu können, arbeiten Meteorologen mit einer Fülle an Daten. Von klassischen Messstationen auf dem Land und im Meer kommen diese ebenso wie von Satelliten, die etwa Feuchtigkeits- und Temperaturdaten liefern. Dazu kommen Algorithmen und mathematische sowie physikalische Berechnungen. Diese Datenfülle muss dann in Prognosemodelle eingebracht werden. Dafür spannen die Meteorologen ein Netz von Daten-Knoten rund um die Erde. Je größer die Rechenleistung der Rechner-Cluster ist, desto dichter liegen die Maschen im Netz zusammen.

Globale Modelle

Globale Modelle haben einen größeren Abstand zwischen den Knotenpunkten, lokale Modelle sind höher aufgelöst und somit liegen hier die Datenpunkte enger beisammen. Daher können lokale Modelle auch kleinräumige Phänomene simulieren (z.B. einzelne Gewitterzellen), was mit globalen Modellen derzeit noch nicht möglich ist.

Für ihre Modelle legen Meteorologen eine Art Gitternetz über die Erdoberfläche. Da gibt es globale und lokale Modelle. „Je größer so eine Gitterbox ist, desto ungenauer wird die Prognose.“

Wetter-Apps sind beliebt

Auch Wetter-Apps greifen auf diese verfügbaren Daten zu, meist auf Prognosen großer Wettermodelle. Hier gibt Csekits aber zu bedenken: „Die meisten Gratis-Apps nutzen die kostenfreien Daten des amerikanischen GFS-Modells. Dieses hat aber ein relativ weitmaschiges Netz von 28 Kilometern Knotendistanz.“ Und der Experte liefert auch gleich die Erklärung dafür, dass das per App prognostizierte Wetter nicht stimmt. Die große Knotendistanz sei zwar in flachen Regionen kein Problem – „im kleinräumigen Alpenraum mit einer komplexen Orographie jedoch schon. Daher liefern Wetter-Apps im Gebirge sowie in kleineren Tälern oft nur schlechte Vorhersagen.“

Zimmermann führt das noch weiter aus. „Apps greifen für bestimmte Koordinaten die Daten ab und stellen diese grafisch mit Wettermodellen dar.“ Die aber mitunter eben aufgrund der zur Verfügung stehenden Werte nur sehr grob ausfällt.

Die bisherigen Methoden werden sich auch mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz nicht so schnell verändern, sind beide Experten sicher. Sie habe durchaus ihre Berechtigung in der Wettervorhersage. „KI kann extrem gut mit großen Datenmengen umgehen und versucht, einen Trend oder das größtwahrscheinliche Szenario herauszuarbeiten“, sagt Csekits.

Faktor Mensch bleibt wichtig

Ein weiterer Vorteil: „KI ist deutlich schneller als globale Modelle und kommt schneller zu einem Rechenergebnis.“ Doch es gibt auch Nachteile: „Mit selten auftretenden Ereignissen wie Hochwasser oder starke Stürme hat die KI wenig Erfahrungsschatz. Sie braucht immer viele Daten.“

Den Faktor Mensch wird sie in der Wettervorhersage daher auch in den kommenden Jahren nicht ersetzen. „Wir brauchen immer jemanden, der die errechneten Daten übersetzt, die Anwender und Kunden berät, sowie bei ihren Anforderungen und Problemstellungen unterstützt.“

Apps ersetzen den Blick aus dem Fenster

„Draußen sitzen? Nein, das geht jetzt nicht. Meine App  sagt, es kommt Regen“, erklärt die Kellnerin. Die Sonne scheint, es ist heiß, aber die Lokalbesucher sitzen im dunklen Gastraum. Ganz umsonst: Denn in der kommenden Stunde wird es nicht regnen. 

Vertrauen Menschen mehr auf ihre App als auf den Blick in den Himmel

Eine deutsche Studie von Bitkom zeigt, dass 9 von 10 Smartphone-Nutzern Wetter-Apps verwenden. Die Hälfte der User verlässt sich auf die Vorhersage für Alltagsentscheidungen, ohne aus dem Fenster zuschauen.  „Der Grund ist das Systemvertrauen in die Technik“, erklärt John Haas, Psychologe von der AG Digitalisierung des Berufsverbands der österreichischen PsychologInnen (BÖP).  „Als Menschen sind wir der Meinung, dass automatisierte Systeme, die große, ganze Welt besser voraussagen als wir“. Wenn die Vorhersagen stimmen, wird man bestätigt. Und wenn nicht? Dann kann man sagen: „Ich habs eh schon immer besser gewusst.“

Das Motiv, das Wetter zu beobachten, sitzt ganz tief in uns: Menschen würden Gefahren abwehren und Risiko reduzieren, so Haas. Und Wetter ist noch dazu eine soziale Währung. Jeder kann darüber reden. Und da ist noch die digitale Bequemlichkeit. Das Smartphone arbeitet für uns. Dabei geht Wissen verloren.  Haas rät, die eigenen Erfahrungen mit den Ergebnissen der App zu vergleichen,  „damit man nicht an Kompetenz verliert“. Dieser Mix kann das Leben „sicherer und bequemer“ machen. 

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