Hitzewellen: Alles nur heiße Luft?
43 Grad Celsius waren für den vergangenen Donnerstag angekündigt. Die Temperaturkarte war tiefrot, ins lila gehend. Sie kursierte im Internet, zehn Tage vor dem vermeintlichen Hitzerekord. Die Temperaturen wurde nicht Realität.
Im Kaffeesud lesen. In die Glaskugel starren. In einer Sammlung von Bauernregeln stöbern. Auf Leitern kletternde Frösche beobachten. Oder sollte man doch die zeitgemäße Variante wählen und die bevorzugte App im digital reichhaltigen Angebot danach befragen, mit welchem Wetter in 14 Tagen zu rechnen ist? Egal.
Denn die Ergebnisse haben eines gemeinsam: Sie liefern falsche, im Idealfall höchst vage Prognosen.
Sie sind überhaupt „Quatsch“, wie selbst ein Unternehmenssprecher des deutschen Anbieters WetterOnline einmal einräumte. Dennoch, es strahlen punktgenau vorausgesagte Sonnen, Wolken aus denen in zwei Wochen in erheblichen Massen Tropfen fallen oder Blitze zucken, präzise Temperaturangaben geben vor, ein seriöser Gradmesser zu sein.
Warum solch wackelige Vorschauen überhaupt veröffentlicht werden? Der Nutzer verlange danach. Es gebe in Zeitungen ja auch Horoskope, die gerne gelesen werden.
Analysieren
Heute haben viele Menschen Zugänge zu Wetterdaten und Systemen. Auf die Interpretation kommt es aber noch immer an. Seriöse Wetterberichte haben mit Horoskopen nichts gemeinsam. Sie beruhen auf ausgefeilten Computermodellen und dem Wissen von Meteorologen. Es werden Daten analysiert, reflektiert und verglichen. „Bis zu fünf Tage sind wir mit unserer Prognose recht gut, oft deutlich besser, als ein einzelner Modelllauf“, sagt Kathrin Götzfried, Meteorologin bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).
Geht es zehn Tage in die Zukunft, ist eine Tendenz ersichtlich. Etwa ob sich eher stabiles oder unbeständiges Wetter abzeichnet. Es gibt aber auch Wetterlagen, wo ein längerfristiger Ausblick möglich ist.
Schmetterling
„Kann ein Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen?“ Mit dieser Frage veranschaulichte der Mathematiker und Meteorologe Edward N. Lorenz die Chaostheorie, die er entwickelt hat. Den Begriff Schmetterlingseffekt prägte er maßgeblich. Dieser hat Einfluss auf das Verständnis von Wetter.
Atmosphäre
Was sagt er? Kleine Änderungen in den Anfangsbedingungen haben große Auswirkungen. Das ist für die Wettervorhersage wichtig. Denn: „Der Anfangszustand der Atmosphäre lässt sich für die Wettermodelle nicht beliebig genau bestimmen“, erklärte der Deutsche Wetterdienst. Es gibt etwa nicht an jedem Punkt der Atmosphäre Messungen. Die Gleichungen in den Wettermodellen sind zum Teil nur Näherungen. Also wird der Wetterbericht immer unsicherer, je weiter der Prognosezeitpunkt in der Ferne liegt.
Aber wie mit welchem Wetter können wir jetzt kommende Woche rechnen? Fest steht: „Nachdem die nordwestliche Anströmung abreißt, ist der Weg frei für den Zustrom heißer Luftmassen von Südwesten her“, sagt Götzfried. Die Temperatur wird verbreitet auf deutlich über 30 Grad Celsius steigen. Man könnte an manchen Orten auch an den 40er herankommen.
Wann es einen Dämpfer für die Temperaturen geben werde, ob durch Gewitter oder durch ein Drehen der Strömung, sei noch nicht ganz klar.
Es wird heißer
Dass es prinzipiell im Sommer heißer ist als noch vor ein paar Jahrzehnten, belegen auch die Daten. Hitzewellen dauern länger. In den 1970er-Jahren hatte es in Bregenz alle drei Jahre einen Tag über 35 Grad. Jetzt gibt es hier drei bis vier sehr heiße Tag pro Jahr. „Das ist unser neues Normal.“
Berichte über Wetterrekorde und hohe Temperaturen erfreuten sich in klassischen Medien schon immer großer Beliebtheit. Im Jahr 1957 bestätigt die Bild ihre glühende Begierde nach der unübertreffbaren Sensation: 56 Grad habe man gemessen. Im Inneren einer Bahnhofsuhr allerdings, wie erst das Kleingedruckte aufklärte. Mit dem Nebeneffekt, dass im Jahr 2022 solche Märchen aus grauen Vorzeiten als Entwarnung vor den Gefahren des aktuell hochbrisanten Klimawandels missbraucht werden.
Hunderte Wetter-Apps, die 14-tägige Prognosen (von Android und Apple meist vorinstalliert) anbieten, bedienen sich oft des US-amerikanischen Modells Global Forecast System (GFS). Dabei werden vereinfacht gesagt mathematische Ergebnisse eines Computers ausgespielt. Erklärt wird das System in einschlägigen wissenschaftlichen Studien als „Zerschneiden der Erde in ein feinmaschiges Gitternetz“. Die Maschenweite beträgt dabei etwa 28 Kilometer, in denen eigentlich dasselbe Wetter herrscht. Unberücksichtigt bleiben lokale Veränderungen, eine große Genauigkeit ist damit nicht gegeben. Steigende Genauigkeit ist letztendlich eine finanzielle Frage.
Seriösere Modelle ziehen mehrere Berechnungsmodelle unter Berücksichtigung lokaler Wetterdienste (Temperatur, Luftdruck, Wind, Staub Kohlendioxidgehalt der Luft) heran. Im Idealfall werden sie von ausgebildeten Meteorologen überprüft.
Doch es bleibt dabei: hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, Wettervorhersagen über zwei, oder mehr Wochen sind in der Praxis so gut wie unmöglich. Die Atmosphäre ist kein lineares System, welches auch nicht mit den besten Computern errechnet werden könnte.
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