Lungenkrebs überholt Brustkrebs

Stark steigende Zahl von Raucherinnen hat dramatische Auswirkungen.

Setzen sich die derzeitigen Trends fort, ist Lungenkrebs 2015 in der EU „auch bei Frauen die Krebstodesursache Nummer ein“, prognostiziert der italienische Epidemiologe Matteo Malvezzi in einer neuen Studie (Annals of Oncology). Derzeit ist es noch Brustkrebs. Bei diesem sorgen neue Therapiekonzepte dafür, dass alleine seit 2009 die Zahl der Todesfälle um sieben Prozent zurückgegangen ist. Gleichzeitig sind aber die Lungenkrebstodesfälle bei Frauen um sieben Prozent gestiegen – Ursache ist die deutlich steigende Zahl an Raucherinnen. Rund 90 Prozent der Todesfälle bei Lungenkrebs werden durch das Rauchen verursacht.

In Österreich starben 1983 laut Statistik Austria 649 Frauen an Krebserkrankungen von Luftröhre, Bronchien und Lunge. 2010 gab es mit 1266 Todesfällen bei Frauen einen neuen Rekordwert. Zum Vergleich: 2010 gab es 1502 Brustkrebstodesfälle bei Frauen. Insgesamt sterben in Österreich jährlich 14.000 Menschen an durch das Rauchen ausgelöste Krankheiten.

Der Anteil rauchender Frauen ist auch in Österreich stark gestiegen (siehe Grafik unten). „Bei den Jugendlichen haben die Mädchen die Burschen teilweise bereits überholt, auch, weil sie das Rauchen als Appetitzügler einsetzen“, sagt Univ.-Prof. Michael Kunze vom Institut für Sozialmedizin der MedUni Wien anlässlich des Welt-Nichtrauchertages (31. 5.).

Gleichzeitig geht die Zahl der Raucher zurück: „Bei den Männern sieht man ein Lichtfleckchen am Ende des Tunnels, bei den Frauen leider noch nicht.“

Oberschicht beginnt

Psychologe Univ.-Prof. Rudolf Schoberberger vom Institut für Sozialmedizin der MedUni Wien: „Es ist ein Phänomen: Mit dem Konsum einer bestimmten Droge in einer Gesellschaft beginnt zunächst immer die Oberschicht der Männer. Dann folgen die Männer aus niedrigeren sozialen Schichten, weil sie den anderen nacheifern wollen. Während die Oberschicht der Männer ihren Konsum bereits wieder reduziert, beginnt die Oberschicht der Frauen mit dem Konsum. Und die letzte Gruppe in diesem Zyklus sind dann die Frauen aus niedrigeren Schichten. Besonders dort sehen wir jetzt den Anstieg.“

Eine international abgestimmte Preispolitik wäre eine der wichtigsten Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums, betont Kunze: „Stiege der Preis für Zigaretten nur um zwei Prozent über die Inflationsrate, würde es bereits zu einer Konsumreduktion von einem Prozent weltweit kommen.“

Dringend notwendig wären auch mehr öffentlich finanzierte Entwöhnprogramme für „hochabhängige Tabakkonsumenten: „Besonders diese Gruppe braucht professionelle Unterstützung bei der Rauchentwöhnung.“ 690.000 ÖsterreicherInnen sind laut MedUni Wien „hochgradig tabakabhängig“.

Früherkennung

Hochrisikogruppen empfehlen jetzt Pneumologen und Röntgenologen in einem „Konsensus-Bericht“ eine gezielte Früherkennungsmethode: Eine jährliche Niedrigdosis-Computertomografie über mindestens drei Jahre. Damit kann die Lungenkrebssterblichkeit um 20 Prozent gesenkt werden. Es sollen aber nur aktuelle oder frühere starke Raucher mit einem Tabakrauchkonsum von täglich zumindest einer Zigarettenpackung über 30 Jahre hindurch oder täglich zwei Packungen während 15 Jahre, die älter als 55 Jahre sind, untersucht werden. Die Patienten müssen aber auch darüber informiert werden, dass ein Niedrigdosis-CT-Screening sie nicht sicher vor dem Auftreten eines bereits nicht mehr operierbaren Lungenkarzinoms schützt.

Rauchertelefon: Zwei Drittel ändern ihr Verhalten

„Die Raucherentwöhnung ist das Bohren harter Bretter“, sagt Jan Pazourek, Generaldirektor der nö. Gebietskrankenkasse. Als erfolgreicher Bohrer hat sich das Rauchertelefon erwiesen ( 0810 810 013, Mo.–Fr. 10– 18 Uhr, max. 10 Cent/min). Klinische und Gesundheitspsychologinnen informieren und beraten am Telefon. Auf Wunsch begleiten sie Aufhörwillige auch mit Rückrufen bei Planung und Umsetzung ihres Rauchstopps.

„Zwei Drittel haben ihr Rauchverhalten danach maßgeblich verändert“, sagt Pazourek: 31 % sind völlig rauchfrei geworden, 33 % rauchen deutlich weniger. „Die Zufriedenheit mit dieser vollwertigen psychologischen Behandlung ist sehr hoch“, betont Psychologin Sophie Meingassner. Das Rauchertelefon (Betreiber ist die NÖGKK) ist eine Initiative der Sozialversicherungsträger, der Länder und des Gesundheitsministeriums. www.rauchertelefon.at www.juliarauchfrei.at

Grundsätzlich herrscht an geschlossenen, öffentlichen Orten absolutes Rauchverbot. Trotzdem riecht es in vielen Wiener Bürozimmern nach Zigaretten. Beschwerden gibt es jedoch kaum.

„Natürlich nicht“, sagt Georg Jandrasits (48) bei der KURIER-Straßenumfrage. „Die Leute haben Angst, ihren Job zu verlieren. Da halten sie lieber ein bisschen Passivrauch aus.“ So lange es Kammerln und wenig Kontrolle gebe, werde in Bürogebäuden geraucht werden, ist sich der Wiener sicher.

Auch am Wiener Landesgericht kommt es des Öfteren vor, dass aus Nervosität eine Zigarette angezündet wird. Ein Verhalten, das auf Verständnis stößt. „Ganz ehrlich, die Menschen dort haben andere Sorgen“, meint Anwalt Manfred Ainedter. Von offizieller Seite heißt es, dass das Rauchverbot umgesetzt werde. Es gebe eine abgetrennte, gut besuchte Raucherzone.

Brandmelder

Im Büro von Gerald Wurz (46) ist das Rauchen nur auf gewissen Balkonen erlaubt. „Wir haben so empfindliche Brandmelder, dass bei der kleinsten Rauchschwade die Feuerwehr vor der Tür steht“, erklärt der Angestellte.

Es scheint: Rauchverbot braucht Kontrolle. Entweder in Form von Brandmeldern oder Kontrollorganen, wie es bei den Öffis der Fall ist. Wer im U-Bahn-Bereich mit einer Zigarette erwischt wird, muss 50 Euro Strafe zahlen.

„Die Fahrgäste halten sich an das Rauchverbot“, bestätigt eine Sprecherin der Wiener Linien. Brennende Mistkübel wegen glimmender Zigarettenstummel gebe es immer weniger. Es seien vereinzelte schwarze Schafe.

Auch seitens der ÖBB wird betont, dass das Rauchverbot sehr gut angenommen wird. „Die Kunden schätzen die rauchfreien Bahnhöfe und Züge“, sagt ein Sprecher der ÖBB.

Anlässlich des heutigen Weltnichtrauchertags erneut Artur Wechselberger, Präsident der Ärztekammer, die Forderung nach einem umfassenden Nichtraucherschutz, besserer Prävention und einem flächendeckenden Rauchverbot – vor allem in der Gastronomie.

„Es gibt so viele Lokale, die sich nicht an das Verbot halten. Es braucht ein generelles Gesetz“, fordert auch Österreichs „Rauchsheriff“ Dietmar Erlacher. Anwalt Manfred Ainedter findet die Schikanen, denen Raucher ausgesetzt werden, unnötig: „Der Tabakkonsum geht dadurch doch nicht zurück.“

Wechselberger möchte Prävention zu seinem Schwerpunkt machen. Er hofft, so die große Anzahl der rauchenden Jugendlichen zu minimieren. Sein Plan: „Rauchen muss uncool werden.“

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