Warum nur striktes Fasten die Zellen erneuert

Nur völliger Verzicht aktiviert die Zellregeneration.
Buchautor und Molekularbiologe Slaven Stekovic über die positiven Effekte kompletten Kalorienverzichts – und ein "Fasten ohne fasten".

Wer lange leben will, der muss sich dafür manchmal auch überwinden: Etwa dann, wenn man kein Japaner ist und das japanische Nattō verspeisen will – gekochte und mit einem Bakterium angesetzte Sojabohnen. Durch die Fermentation bildet sich ein Fäden ziehender Schleim um die Bohnen – und ein starker Geruch.

Nattō zeichnet eines aus: Ein hoher Gehalt an Spermidin. Diese natürliche Substanz hat eine besondere Eigenschaft: "Sie kann im Körper den Effekt von Fasten nachahmen", sagt der Molekularbiologe Slaven Stekovic von der Karl-Franzens-Universität Graz. Er beschreibt in seinem neuen Buch "Der Jungzelleneffekt", wie das Reparaturprogramm der Zellen aktiviert werden kann.

Reinigungsprozess

Autophagie (von altgriechisch "sich selbst verzehrend") heißt der Reinigungsprozess der Zellen. "Dabei bauen sie defekte Bestandteile, molekularen Schrott, ab, der dafür verantwortlich ist, dass die Zelle nicht mehr zur Gänze funktionsfähig ist. Durch diese Reinigung von nicht mehr intakten Bestandteilen verbessert sich die Zellfunktion." Die Autophagie kommt in Gang, wenn über einen längeren Zeitraum keine Nahrung aufgenommen wird: "Dabei kann die Zelle in einer Art Recyclingprozess Energie gewinnen – als Ersatz für die Energie aus der Nahrung."

Warum nur striktes Fasten die Zellen erneuert
Molekularbiologe Slaven Stekovic

Stekovic betont, dass – aus wissenschaftlicher Sicht – die Autophagie am besten aktiviert wird, wenn es wirklich einen kompletten Verzicht auf Nahrung gibt: "Also auch keine Smoothies oder Suppen zwischendurch – sondern keine Kalorienaufnahme innerhalb von zumindest 15 bis 16 Stunden." Ab dieser Zeit steige die Chance, dass die Autophagie eingeschaltet wird. "Aber wir können keine genaue Zeitangabe sagen. Das hängt auch vom Lebensstil und der Ernährung ab."

Grazer Forscher um Frank Madeo – Stekovic hat in ihrem Team mitgearbeitet – haben bereits 2009 herausgefunden, dass es auch eine Möglichkeit für "Fasten ohne fasten" gibt: Auch die natürliche Substanz Spermidin kann diesen körpereigenen Reinigungsprozess ankurbeln. In Tierversuchen etwa mit Fruchtfliegen hat sich gezeigt, dass Spermidin die Gedächtnisleistung verbessern kann – also die Funktion der Nervenzellen erhöht.

"Man kann mit einer Spermidin-reichen Ernährung ein wenig schummeln und dem Körper Fasteneffekte vortäuschen", sagt Stekovic. "Das Fasten kann es aber nicht ersetzen." In seinem Buch präsentiert er Rezepte für Spermidin-reiche Lebensmittel - welche das genau sind, zeigt die nachstehende Infografik:

Warum nur striktes Fasten die Zellen erneuert
Grafik,istockphoto

Er selbst fastet übrigens zwischen zwei und vier Tagen pro Woche – eine Folge seiner wissenschaftlichen Arbeit: "Ich habe ein Forschungsprojekt geleitet, wo wir die Auswirkungen untersuchten, wenn jemand jeden zweiten Tag fastet. Und ich habe das dann auch für mich privat übernommen, weil es mir sehr guttut."

Bessere Wahrnehmung

Fasten stärke auch die Wahrnehmung durch alle Sinne: "Das hat einen evolutionären Grund: Wenn keine Nahrung vorhanden ist und ich sie erst finden muss, dann hängt mein Überleben davon ab, wie gut ich sehe, höre und rieche."

Ist also eine reine Kalorienreduktion weniger effektiv als ein kompletter Nahrungsverzicht für einen gewissen Zeitraum? – "Wer weniger isst, hat viele positive Effekte: Entzündungsfaktoren gehen zurück, das schädliche Fett im Bauchbereich wird weniger, Schlaf- und Herzrhythmus normalisieren sich, die Funktion des Verdauungstraktes verbessert sich", betont Stekovic: "Es gibt viele Überschneidungspunkte zu einem kompletten Nahrungsverzicht – aber für die positiven Effekte der Autophagie ist ein völliger Kalorienverzicht besser."

Und wie sieht der Molekularbiologe den spirituellen Effekt des Fastens? "Den finde ich sehr wichtig. Wir wissen aus Untersuchungen, dass spirituelle Menschen glücklicher sind und länger leben. Egal ob Yoga oder Meditation in einer Kirche: Der Parasympathikus – der Ruhenerv – wird aktiviert, Regenerationsprozesse schalten sich ein." Stekovic betont, dass auch beim Fasten jeder seinen eigenen Weg finden müsse: "Wem das gelingt, der kann sehr davon profitieren."

Buchtipp:

Warum nur striktes Fasten die Zellen erneuert
Buch

Slaven Stekovic: „Der Jungzelleneffekt – Wie wir die Regenerationskraft unseres Organismus aktivieren“, edition a, 224 Seiten. 19,95 Euro.

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