Spermidin schützt Herzen im Alter

Gesundheitsspender aus dem Ejakulat? Bei Mäusen bereits wirksam
Die Verabreichung der Substanz hat die Herzelastizität wieder erhöht und die mittlere Lebensdauer von Modellorganismen verlängert.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählen in westlichen Ländern der Welt mit rund 45 Prozent zur häufigsten Todesursache. Spermidin, eine natürliche Substanz, die in höchster Konzentration in der Samenflüssigkeit vorkommt, kann die Lebensdauer und Herz-Kreislaufgesundheit verbessern. Sicher bei Mäusen und Ratten, wahrscheinlich auch beim Menschen, wie Forscher rund um Frank Madeo an der Uni Graz darlegten.

Jahrzehntelange falsche Ernährung, Bewegungsmangel und Bluthochdruck können dem Herzen massiv schaden und machen Menschen im Alter zunehmend anfälliger für Erkrankungen der „Pumpe“ und der Blutgefäße. Und weil aufgrund der demografischen Entwicklung heute immer mehr Menschen immer älter werden, steigt auch die Zahl der Herzerkrankungen - selbst bei jenen, die gesund gelebt haben.

Herzmuskelsteifigkeit und Verdickung (Hypertrophie) der linken Herzkammer sind häufige Begleiterscheinungen des Alterns, welche letztlich das Risiko für Herzversagen erhöhen. Eine gezielte Behandlung wie auch Wege zur Verhinderung der Erkrankung stehen noch aus. Vor allem, weil das Wissen über die grundlegenden Mechanismen für die fortschreitende Verschlechterung der alternden Herzen fehlt, wie Madeo vom Institut für Molekulare Biowissenschaften an der Uni Graz gegenüber der APA erklärte.

Prozess des „sich selbst Fressens“

Laut Madeo ist die sogenannte Autophagie einer der wichtigsten Prozesse im menschlichen Körper, um auch Herzzellen gesund und leistungsfähig zu halten. In diesem Prozess des „sich selbst Fressens“ bauen die Körperzellen eigene fehlerhafte Bestandteile ab. Sie verwerten diese vor allem in Hungerperioden, um neue Bausteine zu generieren und nutzen diese zugleich zur Energiegewinnung. Ohne Autophagie würde sich der zelluläre Müll in der Zelle ablagern und über kurz oder lang die reibungslose Funktion der Zelle hindern.

Wie Madeo und Tobias Eisenberg schon 2009 herausgefunden haben, kann jenseits von Hungerperioden die körpereigene Substanz Spermidin diesen zellulären Reinigungsprozess ankurbeln. In Labortests haben die Grazer Forscher gesehen, dass die Gabe von Spermidin die Lebensdauer in einfachen Organismen wie Hefe, Fruchtfliegen und Fadenwürmern verlängert. Das Polyamin kommt in hohen Konzentrationen in der männlichen Samenflüssigkeit, aber auch in bestimmten Lebensmitteln vor, etwa in Weizenkeimen, Sojabohnen, Erbsen, manchen Käsesorten, Pilzen und Nüssen. Ursprünglich war es für seine Funktion beim Zellwachstum bekannt.

Zuletzt hat das Team aus Forschern der Universität Graz und Med-Uni Graz gemeinsam mit internationalen Kollegen aus u.a. Deutschland, Frankreich und den USA herausgefunden, dass durch im Trinkwasser verabreichtes Spermidin die mittlere Lebensdauer von Mäusen verlängert wird. Es zeigte sich vor allem, dass Spermidin die Herzfunktion bei älteren Mäusen verbessert. Das deute darauf hin, dass eine Verzögerung in der Alterung des Herzens zur Erhöhung der Lebensdauer beiträgt, schließen die Wissenschafter in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins „Nature Medicine“.

Mäuse mit einem genetischen Defekt zur Autophagie in Herzzellen hatten wiederum keinen Profit durch die Spermidin-Gabe. Das lässt die Forscher nunmehr vermuten, dass die kardioprotektiven Effekte von Spermidin auf der Fähigkeit beruhen, Autophagie zu aktivieren. Auch bei Ratten, die aufgrund einer salzreichen Diät erhöhten Blutdruck aufwiesen, leitete die Substanz kardioprotektive Effekte ein, wie der Grazer Erstautor Eisenberg zusammenfasste: Hier führte zusätzliches Spermidin zur Senkung ihres Blutdrucks und zu einer Verbesserung ihrer Herzfunktion. „In Tiermodellen hat Spermidin die Herzelastizität und diastolische Entspannung der linken Herzkammer erhöht, während die Verdickung der Herzwände abnahm. Das bedeutet: Der Herzmuskel kann sich zwischen den Schlägen besser entspannen und sich daher wieder mit mehr Blut füllen“, schilderte Eisenberg.

Klinische Studien mit Menschen

Die Autoren haben auch indirekt getestet, ob die Einnahme von Spermidin für den Menschen vorteilhaft sein kann. Mittels Fragebogen, in dem rund 800 Probanden in Südtirol angaben, wie oft sie bestimmte Nahrungsmittel aßen, war eine erhöhte Zufuhr von Spermidin mit einem niedrigeren Risiko von Herzinsuffizienz und anderen kardiovaskulären Krankheiten verbunden. Als nächsten Schritt wollen die Forscher in kontrolliert klinischen Studien die schützenden Effekte am Menschen erheben.

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