"Jössas, a Weib!" Über Pionierinnen und Dauerredner im Parlament
Als mit Marga Hubinek die erste Frau in das Präsidium des Nationalrats aufstieg, konnte der mächtige rote Gewerkschafter Anton Benya seine Verblüffung schlecht verbergen: Mit "Jössas, a Weib!" soll er den Wahlvorschlag perplex quittiert haben; eine Episode, die die ÖVP-Pionierin später selbst erzählte.
Eine Frau als Zweite Nationalratspräsidentin, als Mitglied im höchsten Gremium des Parlaments? Das sorgte im Februar 1986 offensichtlich für mehr als erstaunte Kommentare, obwohl Frauen zu diesem Zeitpunkt seit fast 70 Jahren das Recht hatten, den Nationalrat zu wählen und als Abgeordnete gewählt zu werden.
Welche Frau Geschichte schrieb
Es sollten dann aber noch weitere 20 Jahre vergehen, bis mit Barbara Prammer (SPÖ) erstmals eine Frau das Amt des Ersten Präsidenten übernahm. Sie schrieb damit Geschichte.
Und sie redeten und redeten
Wie übrigens auch die Grünen im Plenum Geschichte schrieben: Nie redeten Mandatarinnen und Mandatare – ununterbrochen – länger als im März 1993. Insgesamt waren es 38 Stunden und 46 Minuten; alleine Madeleine Petrovic kam auf 10 Stunden und 35 Minuten – das war Rekord. Worum es ging? Anfangs um Tropenholz, bald jedoch um Geschäftsordnung und demokratische Spielregeln.
Erste und Zweite Republik zusammen genommen gab es bisher 29 Wahlen, inklusive jener zur konstituierenden Nationalversammlung nach der Ausrufung der Republik Ende 1918. 24 Wahlen davon entfallen auf die Zeit seit 1945.
Wenn also heuer am 29. September exakt 6.346.029 Menschen ihre Stimme abgeben dürfen, dann ist das die 30. Wahl seit Beginn der Demokratie bzw. die 25. Wahl der Zweiten Republik.
Nur zwei von ihnen wurden erfolgreich angefochten, beide Male kam der Einspruch von der FPÖ. 1970, weil in drei Wiener Wahlkreisen die rechtsextreme NPD antrat, ohne die nötigen 200 Unterstützungserklärungen gehabt zu haben.
Mandate verschoben sich
1995 wählte unter anderen die damalige ÖVP-Ministerin Sonja Moser im Bezirk Reutte, obwohl sie nicht im dortigen Wählerverzeichnis aufschien – im Tiroler Bezirk musste daraufhin erneut gewählt werden. In beiden Fällen – 1970 wie 1995 – gewann die FPÖ dadurch jeweils ein Mandat.
Da blaugrau, dort lichtgrau
Immerhin gab es bei diesen Wahlen nicht mehr die Usance, Frauen und Männern unterschiedliche Wahlkuverts auszuhändigen: Bei drei Nationalratswahlen der Ersten Republik wurde das tatsächlich so gehandhabt – Wählerinnen bekamen blaugraue Umschläge für die Stimmzettel, Wähler lichtgraue. So konnten ihre Stimmen getrennt voneinander ausgezählt werden.
Heute unvorstellbar, aber die Demokratie war eben noch jung. 1920, 1927 und 1930 erschien diese Vorgangsweise den Parteien als geeignete Methode zur Analyse des Wahlverhaltens von Männern und Frauen.
Manch andere Regelung blieb weit länger aufrecht als unterschiedliche Grautöne der Kuverts: Etwa die in Zeitungen abgedruckten Stimmzettel zum Ausschneiden – das wurde erst 1958 mit dem amtlichen Stimmzettel abgedreht.
Noch länger galt, offiziell zumindest, das Verbot, an Wahltagen im Gasthaus Alkoholika zu konsumieren – Wirte durften unter Strafandrohung schlicht nichts ausschenken, und das bis 1979.
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