Sensor im Bett, Laser fürs Essen
Der kleine Alex im Werbevideo hat Fieber und einen Ausschlag. Der besorgte Vater hält ihm – ähnlich wie in den Star-Trek-Filmen – ein kleines Gerät („Tricorder“) an den Bauch – und liest nach wenigen Sekunden auf dem Display seines Mobiltelefons: „Hautausschlag als Folge eines Dreitagefiebers. Ruhen Sie sich zu Hause aus.“ Bereits kommendes Jahr soll ein Prototyp dieses Diagnosegerätes „Scout“ der US-Firma Scanadu auf den Markt kommen. „Bis eine echte Heimdiagnose möglich sein wird, wird es aber trotzdem noch mehrere Jahre dauern“, sagt Florian Schumacher, Gründer der „Quantified Self“-Bewegung („Vermessung des Ichs“) in Deutschland und Trendscout bei „Wearable Technologies“ in München.
Die sogenannten „Self Tracker“ („Selbstvermesser“) zeichnen körperliche Aktivitäten und Körperdaten aus verschiedenen Lebensbereichen auf: „Die absolute Top-Anwendung derzeit sind Activity Tracker zur Erfassung des Bewegungsausmaßes: Sie machen 97 Prozent des Umsatzes aus.“
2014 rechnet Schumacher mit neuen Anwendungen, die deutlich darüber hinausgehen: Etwa Geräte für das Fitnessstudio, mit denen man die Schnelligkeit und den Kraftaufwand bei bestimmten Übungen erfasst. Oder Textilien mit Sensoren, die Atemfrequenz und Puls messen, um bei der Trainingsoptimierung zu helfen.
Unter dem Leintuch
Schumacher selbst zeichnet laufend sein Bewegungsverhalten auf, seine Waage ist mit dem Internet verbunden (z. B. Withings) und speichert täglich Gewicht, Körperfett und Herzfrequenz ab. Als „besonders spannend“ sieht er einen neuen Sensor, der in den kommenden Wochen auf den Markt kommt: Beddit wird unter das Leintuch gelegt und protokolliert das Schlafverhalten viel umfangreicher als die meisten bisherigen Geräte und Apps.
Ein „intelligentes Pflaster“ (Metria)wiederum wollen die Deutsche Telekom und Medisana auf den Markt bringen. Es soll sieben Tage lang 20 verschiedene Vitalwerte erfassen. „Danach kann man mit einem Coach die Werte besprechen.“
Eine „Revolution der kommenden Jahre“ werde das Scannen der Ernährung sein, so Schumacher. Hier ist ein Laserscanner (Tellspec) in Entwicklung, der Nährwerte, Schadstoffe, Allergene und auch den Kaloriengehalt von Produkten, die er scannt, sekundenschnell ermittelt.
Dauerhaft messen
„In Zukunft werden die Daten aus mehreren Quellen gespeist werden – etwa einem Armband, einer Waage, einem Sensor im Bett.“ Haben derzeit viele „Selbstvermesser“ ein konkretes Ziel vor Augen – Abnehmen, mehr Bewegung – werde das Datensammeln immer öfter automatisch nebenher laufen – auch wenn man gerade kein spezielles Ziel hat. „Man speichert die Daten, damit der Arzt bei Bedarf eine bessere Diagnose stellen kann.“
Und die derzeit noch eher getrennten Anwendungen für Freizeit und Medizin werden zusammenwachsen.
Telemedizin
Denn auch die „Telemedizin“ mache große Fortschritte: Sowohl in Deutschland als auch in Österreich konnten erste Studien zeigen, dass damit etwa bei Patienten mit chronischer Herzschwäche die Lebensqualität und zum Teil sogar die Lebenserwartung deutlich verbessert werden kann. Derzeit führt man u.a. in Berlin und in Graz (MedUni Graz, Ludwig Boltzmann Institut für Translationale Herzinsuffizienzforschung, Austrian Institute of Technology) große Folgestudien durch.
Herzschwäche-Patienten sollen sich regelmäßig wiegen, Blutdruck und Puls messen und ihren Hausarzt beim nächsten Besuch über diese Werte informieren. Eine Verschlechterung wird dadurch aber möglicherweise erst spät erkannt. Mit der täglichen Übermittlung von Daten an das Spital – zusätzlich zu den persönlichen Kontrollterminen – soll dieser Zeitverlust vermieden werden (siehe Grafik). Bisherige Erfahrungen zeigten: In einigen Fällen kann eine schnelle Reaktion der Mediziner sogar lebensrettend sein – bei einer deutsche Studie ging die Sterblichkeit sogar um mehr als die Hälfte zurück.
Morgen:Work-Life-Balance statt Karriere
Die Daten werden dabei von Sensoren direkt im Mobiltelefon oder in kleinen, externen Geräten für das Handgelenk oder die Hosentasche erfasst. Die Technologie steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Die Fitness-Armbänder und Trainings-Apps für Lifestyle-Bereich sind nicht mehr als aufgemotzte Schrittzähler mit Internet-Anbindung. Einige ermöglichen zwar auch die Messung des Herzschlags oder nutzen GPS-Daten zur Bestimmung von Position und Meereshöhe, aber das Kernstück der Technologie sind Bewegungssensoren. Deren Genauigkeit hält sich in Grenzen, die Abweichungen zwischen den verschiedenen Geräten ist beachtlich.
Günstigere Produktion
Für Hobby-Sportler reichen die Daten zwar aus, um sich ein Bild vom absolvierten Trainingspensum zu machen, in Zukunft sollen die Informationen aber deutlich besser werden. Forscher arbeiten an der Massenproduktion günstiger Sensoren. Solche Messinstrumente können etwa großflächig in Textilien eingearbeitet werden und erlauben so eine zuverlässige Erfassung jeder Bewegung des Körpers.
Das klappt dann auch auf dem Fahrrad. Fortschritte bei der Miniaturisierung von Analysegeräten können in Zukunft sogar die Untersuchung von Blutproben erlauben, die Profisportlern kontinuierlich Aufschluss über Laktatwerte und andere relevante Messwerte gibt.
Von denselben Entwicklungen wird auch die Telemedizin profitieren. Wo Sensoren heute noch hauptsächlich Blutzuckerwerte messen und Herzschläge überwachen, könnte in Zukunft der Zustand des Körpers im Detail erfasst werden. Die Industrie stellt sich schon auf den Sensoren-Boom ein. Die Entwicklung und Fertigung der Messtechnik von morgen gilt als Hoffnungsmarkt für die Zeit nach dem derzeitigen Boom bei mobilen Geräten. Datenschützer warnen vor der Gefahr des Missbrauchs solcher Informationen. Noch bleibt Zeit, die Gesetze anzupassen.
Kommentare