Querschnittgelähmter konnte mit Hilfe 102 Meter gehen
102 Meter in 331 Schritten – diesen Weg konnte ein querschnittgelähmter Mann in den USA gehen. Was wie ein Wunder klingt, gelang Forschern der Mayo Clinic im US-Staat Minnesota. Der Patient wurde mit elektrischer Rückenmarkstimulation behandelt und erhielt 43 Wochen Reha-Therapie. Für seine Schritte benötigte er einen Rollator und Unterstützung an der Hüfte durch einen Therapeuten.
Bei einer Querschnittlähmung ist das Rückenmark so beschädigt, dass Signale aus dem Gehirn nicht mehr oder kaum an die Beine weitergeleitet werden. Elektrostimulation versucht, dies zu überbrücken, indem bestimmte Stellen über einen Chip im Rückenmark mit elektrischen Impulsen angeregt werden. Bei dem Patienten – sein Rückenmark war nicht vollständig durchtrennt – gaben die Mediziner Elektroimpulse in verschiedene Beinmuskeln.
Sie entwickelten zwei Impulsmuster, die so miteinander verzahnt waren, dass der Patient Schritte machen konnte. „Nach unserem Wissen ist die Verwendung der elektrischen Rückenmarkstimulation während des aufgabenspezifischen Trainings, einschließlich Steh- und Schrittaktivitäten, neu“, schreiben die Forscher im Journal Nature Medicine.
Skepsis und Kritik
Unbeteiligte Mediziner reagierten skeptisch. „Es gab keine neurologische Heilung. Im Labor einige Schritte zu tun, bedeutet nicht, dass das auch zuhause klappt und das Leben verändert“, sagte etwa Neurochirurgin Jocelyne Bloch vom Schweizer Unispital Lausanne. Auch Norbert Weidner, ärztlicher Direktor vom Querschnittzentrum der Uniklinik Heidelberg findet den Fall wissenschaftlich interessant. Der Patient könne seinen Alltag dadurch aber nicht meistern. „Es ist fraglich, inwiefern andere querschnittgelähmte Patienten in gleicher Weise trainiert werden können“, sagt Weidner.
Problematisch bei der Methode sei, dass Betroffene keine Rückkopplung ans Gehirn über die Lage ihrer Beine im Raum erhalten. Dies sei für das sichere Gehen aber notwendig. Größeres Potenzial hätte die Technik bei Patienten, die unterhalb der verletzten Stelle am Rückenmark noch Bewegungen ausführen können.
Hoffen auf Heilung
In den vergangenen Jahren gaben einige Vorzeigebeispiele Querschnittgelähmten Hoffnung. 2014 konnte etwa ein von der Hüfte abwärts gelähmter 38-jähriger Pole wieder einzelne Schritte machen. Spezielle Nasenzellen bildeten eine Brücke zwischen durchtrennten Teilen seines Rückenmarks.
2016 gelang es einer 32-jährigen Amerikanerin, mithilfe eines Exoskeletts einige Schritte zu gehen. Dieser Stützanzug konnte über Gedankensignale und aufwendige Computersimulationen aktiviert werden. Eine vereinfachte Variante dieses Exoskeletts ist ein batteriebetriebener bionischer Anzug, der über die Kleidung getragen wird und über elektrische Motoren die Beine bewegt. Er wird etwa zur Physiotherapie genutzt.
Erfolge gab es auch bei von den Schultern abwärts Gelähmten: Zwei Amerikaner können jeweils ihren gelähmten Arm wieder bewegen. Sensoren in ihrem Gehirn setzen Hirnaktivitäten in Bewegungen um. Die Technologien wurden bisher nur vereinzelt eingesetzt und bedürfen aufwendiger begleitender Therapien. Noch können sie nicht standardmäßig genutzt werden.
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