Glanz und Gloria: Die Geschichte der Bälle und ihr politischer Einfluss

Am 27. Jänner 1935 rückte die Illustrierte Kronen Zeitung einen „Mitternachtsbericht vom Opernball“ ins Blatt: Der Platz vor der Wiener Staatsoper glich gestern einem Blumengarten. Den ganzen Vormittag über wurden Blumen abgeladen. Ab 9 Uhr abends kamen wieder Blumen – diesmal nicht mehr auf Leiterwagen, sondern in noblen Automobilen – kurz die abendlichen Blumen waren die ersten Besucherinnen des Opernballs 1935, die strahlten und dufteten wie die Blumen am Vormittag , was zweifellos auch dazu beitrug, die ohnehin feenhaften Räume unserer Oper noch mehr zu verschönern.
„Der Opernball, wie wir ihn auch heute noch kennen, ist, wenn man es genauer betrachtet, eine ,erfundene Tradition’ der rückwärtsgewandten Harmonievorstellungen des Austrofaschismus“, kommentiert Christian Maryška vom Haus der Geschichte Österreich (hdgö). Nach dem Bürgerkrieg 1934 und der Ermordung von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß wollte die Regierung repräsentative Bälle nach historischem Vorbild einführen, um den Fremdenverkehr zu beleben und das Image des isolierten Österreich im Ausland zu verbessern.
Wobei sich schon die junge Republik erstaunlich bald nach dem Untergang des Kaiserreiches 1918 an die imperialen Feste im Opernhaus erinnert hatte. Bereits 1921 hielt man die erste Opernredoute ab. Was uns zur Frage bringt, wie es kam, dass Tanzveranstaltungen Opernhäuser eroberten? Vorbild waren – wie oft bei Dingen, die mit Vergnügen zu tun haben – die Franzosen: Ludwig XIV. lud 1716 zum ersten Pariser Opernball. Auch die ersten durchchoreografierten „echten“ Bälle wurden am Ende des 17. Jahrhunderts an seinem Hof erfunden und dienten dem Adel zum Sehen und gesehen werden.

Tanzen? Nur für Junge
„Die Teilnehmer wollten ihren Rang herausstreichen“, sagt die Musikwissenschafterin Monika Fink. Eine Tanzakademie entstand, in der schon Kinder komplizierte Figurentänze erlernten. Der Großteil der Ballbesucher hat aber nur zugesehen. Fink: „Tanzen durften nur junge Paare, die vorher aufgrund ihrer sozialen Stellung bestimmt worden waren.“ Mit Mitte 30 hatten auch sie ausgetanzt. „Der König selbst hat mit 41 das letzte Mal getanzt“.
In Bällen spiegeln sich gesellschaftlicher Wandel und Moralgeschichte
Musikwissenschafterin
Der Wiener Walzer etwa stammt aus einer Epoche politischer Unsicherheit. Er war der erste Gesellschaftstanz, in dem Mann und Frau sich eng umfassten und ohne Unterschied nach Stand und Rang sich einer fast rauschartigen Tanzekstase hingaben. Obwohl als unmoralisch verschrien, setzte sich der Walzer sogar an den Höfen Europas durch und spiegelte so die brüchig werdende Macht traditioneller Herrschaftsschichten.
Es war auch die Zeit, in der die Zahl der Ball-Lokalitäten dermaßen zunahm, dass Orientierungstafeln in Wien aufgestellt werden mussten, um Einheimische wie Reisende mit der Flut an Örtlichkeiten bekannt zu machen, wissen Zeitzeugen zu berichten.

Der Apollosaal, eröffnet 1808, war der größte und extravaganteste Ballsaal der Metropole: Lebendige Schwäne, die majestätisch über künstliche Teiche glitten, mythologische Figuren aus Gips, beleuchtete Engel, ein Wasserfall und eine Grotte für Verliebte, Alleen aus blühenden Obstbäumen. Dazu 13 Küchen für 6.000 Gäste, in sechs Klassen eingeteilte, entsprechend livrierte Kellner, drei Orchester mit jeweils 70 Musikern. Sonntags und donnerstags zelebrierte das gehobene Bürgertum, am Dienstag war der Adel mit seinen Bällen an der Reihe.
Davon konnte man 1956 nur träumen. Am 9. Feber, dem Tag des ersten Nachkriegsopernballs, war man froh, dass das Haus am Ring wieder stand.
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