Ur-Mammut unter der Autobahn

Zwei vollständig erhaltene Stoßzähne wurden freigelegt.
Forscher fanden Stoßzähne auf einer Baustelle in Niederösterreich – und stehen nun vor einigen Rätseln.

Ein Fund von unfassbarem Wert, einbetoniert unter einer Autobahn – Paläontologe Oleg Mandic graut vor dieser Vorstellung. Umso glücklicher ist er, dass es ganz anders gekommen ist und etwas "Großartiges, Einmaliges" passierte. Mitte August bargen er und ein Team der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien auf einer Baustelle nahe Bullendorf (NÖ) mehrere Wirbelknochen und zwei vollständig erhaltene Stoßzähne eines Ur-Mammuts (siehe großes Bild). "Sie sind fast zweieinhalb Meter lang, aus diesen Knochen werden wir viele Informationen holen können", schwärmt Mandic.

Ur-Mammut unter der Autobahn
NHM Wien
Das Alter der Stoßzähne schätzt er auf etwa eine Million Jahre, sie stammen aus dem Alt-Pleistozän. Das verrieten die gut einsehbaren Sediment-Schichten. Was die Forscher noch wissen: Das Rüsseltier sei mit großer Sicherheit kein Wollhaarmammut, wie es bereits öfters entdeckt wurde, sondern ein älteres Exemplar, erklärt Mandic. Eine Art Ur-Mammut. Da sie auf der Baustelle aber keine weiteren Zähne gefunden haben, lässt sich die genaue Art nicht so einfach bestimmen. Ebenso wenig das Geschlecht. Mandic: "Wir haben die Nadel im Heuhaufen gefunden." Dass diese ausgerechnet auf einer Baustelle in Niederösterreich entdeckt wurde, geschah nicht ganz zufällig. Experten der Geologischen Bundesanstalt kartierten das Gebiet, auf dem eine Autobahn gebaut wird. In einer Böschung fanden sie besagte Knochen und verständigten die Kollegen im NHM Wien. Mithilfe der Asfinag, die mit Baggern auffuhr, konnten sie die Funde freilegen, dann in Gipsbandagen wickeln und so stabilisieren. "Funde in dieser Qualität sind äußerst selten", sagt Experte Mandic.

Mammut in Wien

Aber es sind nicht die ersten Mammutreste, die man in Österreich entdeckte. Einige Funde gehen auf die Zeit Maria Theresias (1717–1780) zurück. Meist waren es Zähne und Knochen. Während der Gründerzeit, als in Wien an jeder Ecke gebaut wurde, kamen besonders viele Exemplare zum Vorschein. Wo in der Stadt haben sich vor Jahrtausenden Mammuts herumgetrieben? In der Gegend der heutigen Dorotheergasse, der Spiegelgasse, der Hohen Brücke und der Tegetthoferstraße. Reiche Funde machten man auch in Heiligenstadt und 1969 in Hietzing. Die Mammutherde in der eiszeitlichen Wiener Landschaft, auf dem Gemälde von Franz Roubal (1889–1967), ist also keine Künstlerfantasie.

Ausgestorben sind die Tiere, die einst aus Afrika kamen und sich wegen der Kälte ihr wolliges Fell zulegten, aber nicht durch Menschenhand. Das Klima machte ihnen zu schaffen: Bei Dauerregen und Temperaturen um die Null Grad verkühlten sich die Mammuts und hatten daher ein großes Problem. Auch das Ur-Rüsseltier, dessen Stoßzähne entdeckt wurden, lebte in einer kalten Umgebung, bestätigt Experte Oleg Mandic. In den Labors bereiten die NHM-Forscher derzeit die Präparation der Funde vor. Das müsse schnell passieren, sonst werden die Knochen trocken und brüchig.

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