Supercooling: Organe überleben vier Tage außerhalb des Körpers

Die Leber einer Ratte in der neuen Kühllösung: Nach drei Tagen ist das Organ noch intakt
Haltbarkeit von Rattenlebern wird durch starke Kühlung mit "Frostschutz" deutlich verlängert.

Manche US-Medien sprechen bereits von einem Durchbruch bei den Verfahren für eine Organspende, der den Mangel an Spenderorganen drastisch entschärfen könnte: Forschern der Harvard Medical School gelang es, die Haltbarkeit von Lebern von Ratten außerhalb des Körpers auf drei bis vier Tage zu verlängern. Mit derzeit üblichen Verfahren - mit einer Kühlung knapp über dem Gefrierpunkt und einer Lösung, die den Stoffwechsel verlangsamt - sind maximal zwölf Stunden möglich. Damit sind aber auch Organspenden über weite Entfernungen nur begrenzt möglich.

Versuche, Organe auf minus 196 Grad Celsius tiefzukühlen (Kryokonservierung) sind - im Gegensatz zur Kryokonservierung von einzelnen Zellen, Embryonen oder Gewebeteilen - bisher gescheitert: Es kam zu Schäden an den Zellen.

Deshalb setzten die US-Forscher auf ein mehrstufiges Verfahren ("Supercooling"), wie sie im Fachjournal Nature Medicine berichten: Schritt eins ist ein spezielles Perfusionsgerät, das dafür sorgt, dass die Organe ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen durchströmt werden. Dieser Nährstofflösung fügten sie eine Glukoseverbindung bei, die die Zellen der Organe vor Schäden durch Kälte schützt. Ähnlich wie bei der Scheibenwischanlage eines Autos mischten sie in die Nährstofflösung auch noch Ethylenglykol als speziellen Frostschutz, der den Gefrierpunkt der Lösung herabsetzt.

Minus sechs Grad

Danach kühlten sie die Lösung, in der sich die Organe befanden, auf minus sechs Grad Celsius ab. Ein Teil wurde auf diese Weise drei Tage lang, ein anderer vier Tage lang gelagert. Gleichzeitig bewahrten sie Rattenorgane auch mit den herkömmlichen Verfahren über so einen langen Zeitraum auf.

Alle Ratten, die anschließend die drei Tage lang gekühlten Organe erhielten, überlebten zumindest drei Monate (so lange war der Beobachtungszeitraum der Studie). Bei einer viertägigen Lagerung waren es 58 Prozent. Rein mit der herkömmlichen Technik (kein Perfusionsgerät, kein "Supercooling") betrug die Überlebensdauer nach Implantation des Organs gerade einmal eine Stunde.

Die neue Technik könnte auch trans- und interkontinentale Organspenden möglich machen. Überdies könnten Spender und Empfänger besser auf die Transplantation vorbereitet werden, sagt Rosemarie Hunziker von den US-Gesundheitsinstituten NIH. Die Forscher hoffen, damit die Wartelisten auf ein Organ verkürzen zu können.

Skepsis

Skeptisch ist Univ.Prof.Dr. Florian Iberer supplierender Leiter der Klinischen Abteilung für Transplantationschirurgie der MedUni Graz: "Die Wartezeiten wird man nur verkürzen können, wenn es mehr Organspender gibt. In Europa wird kein Organ verworfen, weil es möglicherweise von den genetischen Merkmalen nicht passt. Und bei der Niere sind bei der Lebendspende bereits Transplantationen über die Blutgruppe hinweg möglich." Ein Organ drei Tage derart aufwendig zu konservieren würde enorme Kosten verursachen, für die "wir auch nicht die finanziellen Mittel hätten".

Zudem müsste in Langzeitstudien nachgewiesen werden, dass auch über einen längeren Zeitraum hinweg keine Unterschiede in der Qualität der Organe auftreten: "Aber bis jetzt zeigen alle Studien: Je kürzer ein Organ außerhalb des Körpers gelagert wird, umso besser sind die langfristigen Ergebnisse." Derzeit versuche man, eine Leber innerhalb von sechs bis acht Stunden, ein Herz innerhalb von drei bis vier und eine Niere innerhalb von maximal 24 bis 36 Stunden zu transplantieren.

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