Was Allergien mit dem Blutbild zu tun haben
Wenn Allergiker leiden und den Pollen ausgesetzt sind, sind "die sichtbaren Symptome in der Nase und den Augen sind nur die Spitze des Eisbergs". Das sagt jetzt Univ.-Prof. Erika Jensen-Jarolim vom Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der MedUni Wien und dem Interuniversitären Messerli Forschungsinstitut. "Wir wissen heute, dass der gesamte Körper reagiert." Für heuer wird eine starke Birkenpollen-Saison erwartet, der KURIER berichtete.
In zwei Wiener Studien konnte jetzt gezeigt werden, dass es "zu drastischen Veränderungen im Blutbild" kommt, wenn Allergiker ihren Beschwerde-Auslösern ausgesetzt sind: Die Zahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), die den Sauerstoff aus der Lunge durch den Körper transportieren, geht während der Belastung mit Allergenen stark zurück, auf ein Ausmaß einer leichten Anämie,
Krankheitsgefühl verstärkt sich
Zu wenige rote Blutkörperchen aber führen zu einer Mangelversorung des Gewebes mit Sauerstoff. Typische Symptome sind Blässe, Müdigkeit, Atemnot, Schwäche, Schwindel oder Kopfschmerz - das Krankheitsgefühl bei Allergie-Symptomen verstärkt sich.
"Das erklärt, warum man sich krank fühlt und ein Leistungsknick auftritt", sagt Jensen-Jarolim.. Auf der anderen Seite kommt es, ähnlich wie bei einer Infektion, zu einem deutlichen Anstieg an weißen Blutkörperchen, den "Wächtern" des Körpers.
"Das Ausmaß einer unbehandelten allergischen Rhinitis ("Heuschnupfen", Anm.) ist deutlich größer, als es auf den ersten Blick erscheint", betont Jensen-Jarolim: "Die Lebensqualität leidet enorm. Die blockierte Atmung verschlechtert dazu die Schlafqualität, was sich auf die Leistungsfähigkeit tagsüber auswirkt." Außerdem können die Beschwerden chronische Nasennebenhöhlen- und -stirnentzündungen verursachen, in Richtung Lunge wandern und Asthma verursachen."
Krankheitsbeginn lang vor ersten Symptomen
"Fünf Jahre, bevor Symptome auftreten, kann man die Anzeichen einer Allergie bereits im Blut messen." Neue Allergen-Mikrochips – mit ihnen kann man mit einem Blutstropfen 100 Allergene screenen – können die Testung vereinfachen. Allerdings müssen sie privat bezahlt werden und kommen derzeit noch auf Kosten von mehreren 100 Euro.
Warum die Zahl der Allergiker steigt
Insgesamt steigt die Zahl der Menschen, die mit Symptomen auf Pollen reagieren. "Eine schwedische Studie zeigte, dass 30 Prozent aller Kinder im Alter von sieben bis acht Jahren einen positiven Hauttest bei Pollenallergenen aufweisen. Im Alter von elf bis zwölf Jahren reagieren sogar 41 Prozent." Einen Grund dafür sieht Jensen-Jarolim in der Schadstoffbelastung der Luft: Die Pflanze bildet die Allergene (Proteine) zum Schutz vor den Schadstoffen – dadurch gibt es mehr und aggressivere Pollen. Und auch die "Hygienehypothese" spielt eine Rolle: Wir leben – aus Sicht des Immunsystems – zu hygienisch, das Abwehrsystem ist dadurch unterfordert.
Warum man frühzeitig reagieren und eine Allergie therapieren sollte, erklärt Christian Müller, Leiter der Allergie-Ambulanz der HNO-Klinik von MedUni und AKH Wien: "Bis zu 40 Prozent der Fälle von unbehandelter allergischer Rhinitis (Heuschnupfen, Anm.) werden zu Asthma."
Kurier-Talk mit Frau Jensen-Jarolim
Der Pollenwarndienst der MedUni Wien hat sein Angebot in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut – und wurde mittlerweile zu einem „Lebensmanager“ für Pollenallergiker. Rund 400.000 Allergiker nutzen bereits die kostenlose „Pollen-App“. Sie zeigt jetzt auch die Pollenbelastung und das Allergierisiko über den Tagesverlauf an: Die Nutzer bekommen einen Überblick, wie hoch die Belastung zu jeder Stunde des Tages ist. Auch der Einfluss von Luftschadstoffen (z. B. Ozon, Feinstaub) auf die Schwere der Symptome wird jetzt berücksichtigt.
2017 wurde die Initiative „Ragweed-Finder“ gestartet. Auf dieser Homepage können Ragweed-Funde gemeldet werden. Die Standorte werden dann an die Landesregierungen weitergeleitet. So soll die Verbreitung der Pflanze eingedämmt werden. Ragweed ist besonders in Ostösterreich und entlang von Verkehrswegen verbreitet und hoch allergen. Bis auf Oberösterreich und Kärnten arbeiten bereits alle Bundesländer mit dem Pollenwarndienst zusammen. Eine „Ragweed-Finder-App“ gibt es wegen Geldmangels noch nicht – der Pollenwarndienst hat deshalb ein Crowdfunding-Projekt zur Finanzierung einer App gestartet.
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