Wie Männer ihr Leben verkürzen
Warum gehen nach wie vor viele Männer nicht zum Arzt bzw. zu keiner Vorsorgeuntersuchung? Das wollten vor Kurzem die Orlando-Health-Kliniken in den USA wissen und ließen dazu eine repräsentative Umfrage unter mehr als 2000 Männern ab 18 Jahren durchführen: "Too busy" – "zu beschäftigt" – war die häufigste Antwort. Ausrede Nummer zwei: Angst, dass etwas Beunruhigendes gefunden werden könnte. Und auf Platz drei der männlichen Ausreden: Bestimmte Untersuchungen – etwa jene der Prostata – seien halt sehr unangenehm.
Frauen hätten zwar nach wie vor einen anderen, besseren Zugang zu bestimmten Themen im Gesundheitsbereich, sagt der Internist Univ.-Prof. Siegfried Meryn von der MedUni Wien. "Sie lassen sich etwa häufiger impfen als Männer. Aber in Österreich hat sich – was zum Beispiel Vorsorgeuntersuchungen betrifft – die Kluft zwischen Frauen und Männern ein wenig geschlossen. Es gibt noch Unterschiede, aber sie sind nicht mehr so groß wie früher." Meryn ist einer der Podiumsdiskutanten beim Gesundheitstalk zum Thema "Männergesundheit" kommenden Mittwoch (siehe unten).
Hormone
Von den fünf Jahren, die Frauen im Schnitt länger leben, sei eines auf hormonelle und genetische Unterschiede zurückzuführen: "Wenn man es überzeichnet darstellen will: Frauen besitzen zwei starke X-Chromosomen, und der Mann hat neben einem X-Chromosom das einsame, kleine Y-Chromosom. In der Schwangerschaft ist die Komplikationsrate bei einem männlichen Embryo höher als bei einem weiblichen, und auch die Sterblichkeit ist bei männlichen Säuglingen höher – und da spielen weder Alkohol, noch Rauchen, noch Testosteron oder Motorräder eine Rolle." Aber vier der fünf Jahre an zusätzlicher Lebenszeit von Frauen seien durch ein weniger riskantes Verhalten zu erklären. "Österreich liegt beim Alkohol- und Zigarettenkonsum von Jugendlichen europaweit an der Spitze", sagt Meryn – der Großteil seien hier männliche Jugendliche. Auch bei der Häufigkeit von Übergewicht sei die Entwicklung alarmierend. Deshalb liege Österreich auch bei der Gesundheitserwartung – den Lebensjahren in Gesundheit – in Europa im unteren Drittel.
Lesen Sie unter der Grafik über das mangelnde Gesundheitsbewusstsein
Keine großen Kampagnen
Während Frauen mehr und mehr ihr Verhalten jenem der Männer angleichen und häufiger rauchen und trinken, gebe es bei den Männern keinen Rückgang – sondern lediglich eine Stagnation. "Es zeigt sich keine positive Entwicklung." Das sei aber auch nicht verwunderlich: "Es gab in den vergangenen Jahren keine großen Kampagnen für Männergesundheit." Es sei vorbildlich, dass es in Wien ein eigenes Gesundheitszentrum für Männer und Burschen gebe. "Aber das wird nicht für eine Trendumkehr ausreichen. "
Und eine Untersuchung der US-Gesundheitsbehörde NIH hätte gezeigt, dass doppelt so viele Forschungsmittel in Studien zum Thema Brustkrebs wie zum Thema Prostatakrebs fließen.
Wobei im öffentlichen Bewusstsein Männergesundheit oft nur mit urologischen Themen gleichgesetzt werde. "Aber wer spricht von Depressionen, der Osteoporose und der Prävention des Herzinfarktes beim Mann?"
Veranstaltung Gesundheitstalk
Männergesundheit – nicht nur Prostatakrebsvorsorge, sondern auch Herzerkrankungen, Stress, Psyche – ist Thema des Gesundheitstalks am Mittwoch, 12. 10. 2016, um 18.30 Uhr im Van-Swieten-Saal der Medizinischen Universität Wien, Van-Swieten-Gasse 1a (Ecke Währinger Straße), 1090 Wien. Der Eintritt ist frei.
KURIER- Ressortleiterin Gabriele Kuhn spricht mit den Spezialisten Univ.-Prof. Dr. Shahrokh F. Shariat (MedUni Wien), Univ.-Prof. Dr. Siegfried Meryn (MedUni Wien) und dem Patientenvertreter Ekkehard Büchler (Selbsthilfe Prostatakrebs).
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