Krankheit mit Fragezeichen

Weltweit nimmt die Zahl der MS-Patienten zu – über die Gründe wird spekuliert

"Die Diagnose trifft die Menschen dann, wenn sie ihre Ausbildung beenden oder ihre Karriere beginnen", sagt John Golding, 64. Der frühere Manager in der Automobilindustrie weiß, wovon er spricht: Mit 32 traten bei ihm die ersten Symptome von Multipler Sklerose auf, einer chronischen Entzündung von Gehirn und Rückenmark. Heute ist er Präsident der "Europäischen Multiple Sklerose Plattform" und setzt sich für die Anliegen der Patienten ein – so auch beim internationalen, von Novartis unterstützten Expertenkongress "BRAI.NS2014" in Barcelona: "Immer noch müssen viele Patienten viel zu früh ihren Arbeitsplatz verlassen."

Weltweit nimmt die Zahl der MS-Patienten zu (siehe Grafik) – über die Gründe wird spekuliert: "Letztlich wissen wir es nicht, viele Faktoren sind noch unbekannt", sagt der britische Neurologe Prof. Alan Thompson, University College London. Doch es gibt auch viele neue Erkenntnisse:

Vitamin D

Für eine Studie wurde bei neu diagnostizierten MS-Patienten der Vitamin-D-Spiegel erhoben. "Patienten mit sehr niedrigem Vitamin-D-Spiegel hatten einen viel rascheren Krankheitsverlauf", sagt der holländische Neuroradiologe Frederik Barkhof. Es gebe aber keine Hinweise darauf, dass ein niedriger Vitamin-D-Spiegel die Krankheit auch auslösen könne, so Barkhof. Ob man mit Vitamin D Multiple Sklerose auch behandeln könnte, sei ebenfalls nicht erwiesen und werde derzeit untersucht. Zumindest aber sollte ein Vitamin-D-Mangel behoben werden, empfehlen die Studienautoren. Rund 50 Prozent der MS-Patienten in Europa haben zu niedrige Vitamin-D-Werte.

Dass es in nördlichen Ländern teilweise mehr MS-Fälle als im Süden gibt, wird auch immer wieder mit einem Mangel an Vitamin D (wird zum großen Teil vom Körper unter dem Einfluss von Sonnenlicht produziert) in Zusammenhang gebracht: Allerdings könnten auch eine höhere Empfänglichkeit für die Krankheit aufgrund genetischer Mutationen – die noch auf die Wikinger zurückgehen – die Ursache sein.

Rauchen

"Es ist gut dokumentiert, dass Rauchen bei einer bestehenden Erkrankung den Verlauf verschlechtert", so Thompson. "Dass Rauchen die Erkrankung auch auslösen kann, dafür gibt es keinen Beleg." Zwar steige in manchen Ländern die Zahl der MS-Patientinnen stärker als jene der MS-Patienten. Und in vielen Ländern steigt auch die Zahl der Raucherinnen: "Über einen Zusammenhang können wir aber nur spekulieren. Denn nicht überall nimmt die Zahl der Raucherinnen zu."

Bessere Diagnostik

"Wir können MS heute viel besser und auch früher diagnostizieren – damit erklärt sich auf jeden Fall ein Teil des Anstiegs der Patientenzahl."

"2013 wurden in Europa drei neue Präparate für MS-Patienten zugelassen – zwei in Tablettenform", sagt die Neurologin Univ.-Prof. Siegrid Fuchs von der MedUni Graz. Noch wird mit den Kassen über die Erstattung der Kosten verhandelt: "Alle modernen Therapien zusammen ermöglichen bereits bei gut der Hälfte der Patienten einen guten und stabilen Krankheitsverlauf. Das ist ein großer Fortschritt."

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