Kinder zwischen den Fronten
Bevor Margret* auf die Glocke an der Eingangstür zum Haus ihres Exmannes drückt, atmet sie tief durch. Ab jetzt beginnt das Besuchswochenende und sie möchte mit ihren 10 und 15 Jahre alten Töchtern und dem Hund in die Au fahren. Obwohl die Besuchszeiten gerichtlich geregelt sind, kommt es bei diesen Treffen regelmäßig zu Konflikten. Auch heute wieder. Ihr Exmann öffnet die Tür und legt los: „Du kannst gleich wieder gehen. Die Kinder haben keinen Bock auf dich.“ Hinter ihm tauchen die zwei Mädchen auf. Die Jüngere stimmt ein: „Mit der komme ich sicher nicht mit.“ Margret hat das Gefühl, als würde auf sie eingeschlagen werden. Ein paar Stunden später erhält sie von dem Mädchen eine SMS: „Mami, es tut mir so leid, aber ich kann nicht mehr.“
Entfremdung
Als Robert* seinen siebenjährigen Sohn am Wochenende von seiner Exfrau abholen will, versteckt sich dieser unter dem Bett und weint. Der Vater ist fassungslos, denn bisher sind alle Besuche gut abgelaufen. Seine Arbeitskollegen vermuten, dass die Mutter darauf hinarbeitet, das Kind zu entfremden.
Vor österreichischen Gerichten werden Vorwürfe einer Entfremdungsstrategie nicht anerkannt (siehe rechts). Familycoach Leibovici sieht in der Ablehnung eines Elternteils schwere Folgen für das Kind, die dessen Lebensmodell beeinflussen. „Es kommt zur Identitätsstörung oder Depression, sodass sie später keine dauerhafte Beziehung führen können.“ Die gerichtlich verordnete Elternberatung bezeichnet sie als Möglichkeit, um Eltern die Problematik bewusst zu machen. „Wir haben diese eine Chance, um sie zu überzeugen, dass sie die persönliche Kränkung von ihrer elterlichen Verantwortung trennen müssen. Ziel ist eine kooperative Elternschaft.“
Im Gegensatz zu Margret und ihrem Exmann haben Robert und seine Exfrau diese Kooperation erreicht. Um sich wieder an seinen Sohn anzunähern, trinkt Robert vor dem Abholen mit seiner Exfrau Kaffee, spielt mit dem Buben und packt ihn fürs Wochenende zusammen.
*(Beispiele aus dem Buch, Namen geändert)
Anonyme und kostenlose Beratung rund um die Uhr
Das „Parental-Alienation-Syndrom“ (PAS) ist im deutschsprachigen Raum als „Eltern-Kind-Entfremdung“ bekannt. 1985 wurde es vom Kinderpsychiater Richard Gardner als Störung beschrieben, bei der ein Kind dauerhaft und zu Unrecht einen Elternteil herabsetzt oder beleidigt. Es tritt in Sorgerechtsstreitigkeiten auf, wenn ein Elternteil bewusst oder unbewusst versucht, dass Kind vom anderen Elternteil zu entfremden. Gegner kritisieren, dass es für das Syndrom zu wenig wissenschaftliche Beweise gibt. In England und Kanada steht es unter Beweisverbot, in Brasilien und Deutschland hingegen nicht. Allgemeinmediziner Dietmar Payrhuber fordert die Anerkennung auch hierzulande: „In Österreich wird es von Anwälten und Richtern kaum wahrgenommen. Dabei handelt es sich um schwere Kindesmisshandlung mit posttraumatischen Folgen. Seit 2012 liegt ein Entschließungsantrag im Justizausschuss des Parlaments vor, um PAS strafrechtlich relevant zu machen.“
Kommentare