Kakadus wissen was ein Werkzeugset ist und holen damit Nüsse
Bisher kennt man nur zwei Tierarten, die in freier Wildbahn Werkzeugsets benutzen: Schimpansen und Goffin-Kakadus. Dabei geht man davon aus, dass die Affen die einzelnen Hilfsmittel als Set mental einordnen können und sie nicht nur in einer erlernten Abfolge einsetzen. Aber auch die Goffin-Kakadus kategorisieren die einzelnen Werkzeugteile als "Set", mit dem sie an ihr Lieblingsfutter gelangen können, berichten österreichische Forscher im Fachjournal Current Biology.
Wild lebende Schimpansen brechen mit dicken Stöcken oder anderen Schlagwerkzeugen Termitenhügel auf. Dann nehmen sie einen dünnen Stock, um nach Termiten zu fischen.
Lange Zeit wurde argumentiert, dass das nur eine Abfolge einzelner Werkzeugeinsätze sei und die Tiere die einzelnen Instrumente nicht als Set wahrnehmen. Doch seit beobachtet wurde, wie die Affen beide Werkzeuge gleichzeitig zu Termitenhügel transportierten, geht man davon aus, dass sie die Notwendigkeit beider Hilfsmittel erkennen, bevor sie eines davon benutzten. Das deutet auf die mentale Einordnung beider Instrumente als Set hin.
Kurzer und langer Stock
Inspiriert von diesen Beobachtungen hat Antonio José Osuna Mascaró vom Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien in drei Experimenten am "Goffin Lab Goldegg" getestet, ob auch Goffin-Kakadus dazu in der Lage sind. Im ersten Versuch versperrten sie den Vögeln mit einer Folie den Zugang zu einer weit hinten in einer Box liegenden Nuss und stellten ihnen zwei Werkzeuge zur Verfügung: einen kurzen, spitzen Stock, um die Folie zu zerreißen, und einen langen, flexiblen Stock, um die Nuss zu erreichen.
So wollten die Forscher testen, ob die Kakadus den Nutzen eines Werkzeugsets selbst wahrnehmen können.
Die Kakadus lösten die Aufgabe mit verblüffender Leichtigkeit. Figaro, das höchstrangige Männchen der Gruppe, brauchte im ersten Anlauf dafür nur 31 Sekunden. "Eine solche Geschwindigkeit hatte ich nicht erwartet", erklärte Osuna Mascaró in einer Aussendung. Fini, ein Weibchen, benötigte ebenfalls nur 34 Sekunden, andere Kakadus allerdings zwei oder drei Versuche. Für die Forscher ist aber auch deren Leistung "bemerkenswert".
Um zu klären, ob der Einsatz des Werkzeugsets nur das Ergebnis einer erlernten Abfolge von Handlungen war, oder die Vögel ein inneres Abbild (mentale Repräsentation) der beiden Werkzeuge als Set hatten, führten die Forscher ein zweites Experiment durch: Die Tiere erhielten nach dem Zufallsprinzip abwechselnd Zugang zu zwei verschiedenen Boxen: eine mit einer Folie bedeckt wie zuvor, eine andere ohne Folie. Je nach Problem wurde also einmal das ganze Werkzeugset benötigt, das andere Mal reichte der lange Stock.
Die Leistung verbesserte sich
Auch hier schnitten die Kakadus hervorragend ab. Doch für die Forscher unerwartet, wechselten die Tiere vor dem Einsatz des ersten Werkzeugs öfters zwischen beiden Instrumenten hin und her. "Interessanterweise verbesserte sich ihre Leistung nach diesem Hin- und Herwechseln; die Wahrscheinlichkeit, das richtige Werkzeug zu wählen, war nach wiederholtem Wechseln höher", erklärte Alice Auersperg, Leiterin des "Goffin Lab Goldegg" des Messerli-Instituts.
In zukünftigen Experimenten wollen die Forscher daher diesen Entscheidungsprozess der Vögel näher erforschen.
Im dritten Experiment ging es um die Frage, ob die Kakadus die beiden Werkzeuge gleichzeitig als Set transportieren. Damit würden sie die Bedeutung beider Werkzeuge verstehen, bevor sie sie benutzen, und beide Hilfsmittel zusammen als Set einordnen können. Dazu mussten die Tiere zunächst eine Leiter zu einer Plattform hinaufklettern, um zu einer der beiden Boxen (mit bzw. ohne Folie) zu gelangen. Danach konnten sie diese Plattform nur durch einen kurzen horizontalen und einen darauffolgenden anstrengenden vertikalen Flug erreichen.
Auch wenn dafür der anstrengende Steigflug erforderlich war, transportierten drei Kakadus beide Werkzeuge konsequent zusammen zur Plattform, wenn es die Box erforderte. Osuna Mascaró ordnet das als "sehr bemerkenswert" ein. Denn die Vögel hätten immer die Möglichkeit gehabt, hin und her zu fliegen und ein Werkzeug nach dem anderen zu holen und zu benutzen. "Doch drei Kakadus haben selbst die Strategie erfunden, beide Werkzeuge im Voraus mitzunehmen", erklärte Auersperg gegenüber der APA.
Um die Entstehung werkzeugtechnischer Fähigkeiten des Menschen zu verstehen, sei es notwendig, nicht nur auf dessen engsten lebenden Verwandten zu schauen. "Wir müssen auch untersuchen, wie ähnliche Fähigkeiten bei Arten entstehen, die extrem weit von uns entfernt sind, in diesem Fall durch mehr als 300 Millionen Jahre Evolution", so die Wissenschafterin.
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