Kakadus sind schlaue Bastler mit Augenmaß

Kakadus sind bekanntermaßen intelligent.
Die Vögel fertigen Futterangeln aus Karton und achten dabei auf minimalen Arbeitsaufwand.

Geschickt pickt der weiße Papagei Löcher in den Karton, parallel zur Kante entsteht eine Perforation. So kann der Überflieger später mit Schnabel und Krallen einen Streifen abreißen. Liegt die Belohnung weiter weg, legt er sich ausdauernd ins Zeug, lockt der Cashew-Kern in der Nähe, beendet der indonesische Goffinkakadu mit europäischen Papieren seine Arbeit schnell. Verschätzt er sich, macht er sich ohne Umschweife erneut ans Werk.

Klug wie Primaten

Nur wenige Tierarten benützen Werkzeug, um an Nahrung zu gelangen. Noch wenigere Spezies sind in der Lage, Werkzeug eigens dafür herzustellen. Wie eine Studie des Messerli Forschungsinstituts der Vetmeduni Wien nun zeigt, zählen die Goffinkakadus zu den klügsten Bastlern. Sie sind so schlau wie manche Primaten.

Augenmaß

„Wir wollten klären, wie flexibel Kakadus bei der Herstellung von Werkzeug sind“, sagt Studienautorin Alice Auersperg. Die Zoologin konnte sechs Freiwillige für ihr jüngstes Wer-bastelt-mit-Projekt gewinnen, fünf waren Männchen. Insgesamt fliegen im Goffin Lab in Goldegg 16 Vögel durch die Voliere. Die verspielten Nahrungsopportunisten, deren Artgenossen in der Heimat mehrheitlich ohne Werkzeug auskommen, bewiesen in der niederösterreichischen Gefangenschaft Weitblick. Sie passten ihre Papp-Angel sowohl der Entfernung zur Leckerei an, als auch der Größe des Loches, durch das sie das Hilfsmittel fädeln mussten. „Wenn der Kartonstreifen nicht die richtige Länge hatte, haben sie zur Futter-Box geschaut und ihn sofort weggeschmissen, sie haben es gar nicht versucht“, zeigt sich Auersperg vor allem von einem Detailergebnis überrascht.

Hirn-Leistung

„Kognitive Fähigkeiten entwickeln sich, wenn sie etwas bringen. Wenn sie einmal da sind, können sie auch zweckentfremdet eingesetzt werden“, sagt Thomas Bugnyar. Der Biologe am Department of Cognitive Biology der Uni Wien beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der sozialen Intelligenz von Raben. Er kennt sich mit den neurologischen Voraussetzungen für Cleverness im Tierreich aus: „Das Vogelhirn ist kleiner und anders aufgebaut als das von Säugetieren, aber es ist nicht schlechter.“ Die Großhirnrinde, die Primaten zu lösungsorientierten Denkern macht, die Furche und die Windungen fehlen dem Federvieh. Es nutzt andere Hirnareale, um Informationen zu verarbeiten. Für die Verschaltung stehen ihm etwa gleich viele – sehr komprimierte – Nerven zur Verfügung. „Es ist wie bei einem Computerprozessor. Er muss in einem PC nicht leistungsfähiger sein als in einem Handy“, vergleicht der Kognitionsbiologe.

Wie entsteht Intelligenz?

„Wir wollen evolutionstheoretisch verstehen, wie intelligente Gedankenprozesse entstehen; wie sie sich unabhängig voneinander bei entfernten Verwandten entwickeln“, sagt Auersperg. Ihre Goffinkakadus lernten rasch, auf unterschiedliche Bedingungen zu achten und den Arbeitsaufwand zu reduzieren. Nur die Anatomie setzte ihnen Grenzen: Die Schnabelform gab die Breite des Kartonstreifens vor.

Respekt

„Unsere Ergebnisse belegen, dass die Leistung der Kakadus in diesem Bereich über dem Niveau von Krähen liegt. Beide Vogelarten können Primaten Konkurrenz machen“, schließt die Kognitionsforscherin. Und fordert als ethische Konsequenz aus ihrem Experiment Respekt vor den Besserwissern. Bugnyar betont: „Es gibt mehr als 80.000 Vogelarten. Von Papageien und Rabenvögeln weiß man, dass sie schlau sind.“ Das heißt aber nicht, dass die andern Dummköpfe sind.

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