Jahresvergleich: Gibt es durch Covid-19 mehr Todesfälle als sonst?
Die Statistik Österreich hat die Zahlen der wöchentlichen Sterbefälle für mehrere Jahre zurück veröffentlicht. Damit kann man vergleichen, wie sich die Sterbefälle im Jahresverlauf in verschiedenen Jahren entwickelt haben - und wie groß die Auswirkungen der Corona-Pandemie in Österreich im Vergleich ist.
Da sich Sterbefälle im Winter häufen, werden die Effekte besser sichtbar, wenn man die einzeln Kurven von Anfang Juni eines Jahres bis Ende Juni des nächsten Jahres laufen lässt.
Die Kurven der Jahre seit 2010 sehen so aus:
In dieser Grafik fallen mehrere Dinge auf: Es gibt eine starke Häufung von Sterbefällen um die Jahreswende 2016-2017. Und es gibt auch eine auffällige Häufung im März 2018. Der Grund war in beiden Fällen eine massive Grippewelle.
In allen anderen Jahren (seit 2010) lagen die Sterbefallzahlen deutlich niedriger.
Die Zahlen von heuer liegen bis Kalenderwoche 11, also Ende März, im oberen Bereich der Jahre ohne massive Grippewellen.
Spätestens Ende März waren in den vergangenen Jahren die Grippewellen vorbei und die Kurven sind deutlich gesunken. Das ist heuer nicht der Fall, ab Ende März 2020 sind die Sterbefallzahlen deutlich höher als in den Jahren davor.
Interessant ist auch die Frage des Sterberisikos in verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Wir verstehen darunter die Zahl der Sterbefälle pro 1 Million.
Hier die Grafik zunächst für die Altersgruppe bis 65 Jahre:
In der Altersgruppe bis 65 ist die Sterblichkeit sehr gering, bei den Männern aber merkbar höher als bei den Frauen. Bei beiden Geschlechtern ist für 2020 (also gegen Ende der roten Kurve) keine Zunahme feststellbar. Covid-19 hat also bei den jüngeren Leuten keine erhöhte Sterblichkeit zur Folge.
Anders ist das bei der Altersgruppe 65+:
Die sogenannte Exzessmortalität bezeichnet die erhöhte Sterberate einer bestimmten Bevölkerungsgruppe verglichen mit dem Bevölkerungsdurchschnitt oder - wie in diesem Fall gebraucht - die erhöhte Zahl von Sterbefällen während einer bestimmten Zeitspanne, verglichen mit der zur selben Jahreszeit normalerweise erwarteten Sterblichkeit.
Hier sind zwei große Unterschiede festzustellen: Erstens ist das Sterberisiko in dieser Altersgruppe für Männern merkbar höher als für Frauen.
Zweitens ist das Sterberisiko der Männer seit Ende Jänner - also seit Ausbrechen der COVID-19-Infektionen - deutlich höher als in den Jahren davor (mit Ausnahme der Jahre mit starken Grippewellen). Und im Gegensatz zu Jahren mit Grippewellen bleibt das Sterberisiko auch in den letztvergangenen Wochen hoch.
Seit dem Ausbruch der COVID-19-Infektionen kann mann also einen merkbaren Einfluss auf das Sterberisiko feststellen. Besonders betroffen sind ältere Männer.
"Alle Daten erzählen Geschichten, die sprechen aber nicht besonders laut dabei. Und Statistiker sind Leute, die den Daten besonders gut zuhören können."
Erich Neuwirth, Jahrgang 1948, ist so etwas wie das Urgestein der Hochrechnung und Pionier der Wählerstromanalyse in Österreich. Bei der Nationalratswahl 1983 war er es, der staunenden ORF-Zuschauern erstmals eine Wählerstromanalyse präsentierte. 2017 wurde ihm der Gerhart-Bruckmann-Preis der österreichischen statistischen Gesellschaft verliehen.
Der außerordentliche Universitätsprofessor im Ruhestand für Statistik und Informatik an der Universität Wien verfolgt auch die aktuelle Corona-Krise durch die Augen eines Mathematikers. Auf seinem Blog just-the-covid-facts.neuwirth.priv.at bereitet er die Daten täglich neu auf. Seit Anfang April macht er das wöchentlich auch für den KURIER.
Und zum Schluss geben wir wie immer noch einen kurzen Überblick über die aktuelle Lage in Österreich:
Der aktuelle Stand - 23. April, 15.00 Uhr
Registrierte Infektionen: 14963
Neue Fälle (vergangene 24 Stunden): 92
Neue Genesene: 366
Genesene insgesamt: 11694
Frühere Teile der Serie von Erich Neuwirth:
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