Ist das Cholesterinsenken sinnlos?
Es sind provokante Thesen, die derzeit vor allem in Frankreich, aber auch anderen Ländern für heftige Diskussion sorgen: Hohe Cholesterinwerte und tierische Fette seien nicht für verstopfte Blutgefäße (Atherosklerose), Herzinfarkte oder Schlaganfall verantwortlich, sagen die Mitglieder von Thincs (The International Network of Cholesterol Sceptics). Dieser Organisation gehören 100 Wissenschaftler an, darunter auch mehrere Ärzte. Einige Argumente der Skeptiker:
50 Prozent der Menschen mit Herzinfarkt haben einen hohen Cholesterinspiegel. „Die andere Hälfte hat einen niedrigen Cholesterinspiegel und dennoch Atherosklerose“, so der dänische Arzt Uffe Ravnskov auf der Wissenschaftsplattform www.spektrum.de. Deshalb könne es nicht am Cholesterin liegen.
Statine würden nicht über die Cholesterinsenkung, sondern über andere Mechanismen wie die Hemmung von Entzündungen wirken. Eine Cholesterinsenkung mit anderen Methoden als mit Statinen (z. B. einer Diät) reduziere die Zahl von Herzinfarkten und Todesfällen nämlich nicht – was für die Statine, aber gegen das Cholesterinsenken spreche.
„Der Konsum von gesättigten, ,tierischen‘ Fetten erhöht das Risiko für Herzgefäßerkrankungen nicht“, sagt Ernährungswissenschaftler Nicolai Worm, Mitglied des Netzwerkes der Cholesterinskeptiker, zum KURIER.
Zucker reduzieren
Mit einer fettarmen Ernährung den LDL-Spiegel zu senken sei die völlig falsche Methode: „Weil damit sinkt auch das gute HDL-Cholesterin und steigen gleichzeitig andere Blutfettwerte, die Triglyzeride, an. Entscheidend sei, den Konsum von Zucker und Kohlenhydraten insgesamt zu reduzieren: „Ein hoher Kohlenhydratanteil an der Ernährung – also viele Mehlspeisen, viele Teigwaren – verschlechtert die Struktur des LDL-Cholesterins, macht es kleiner und dichter, das Risiko für Entzündungsreaktionen steigt dadurch.“
„Dass es auch bei normalen Cholesterinwerten zu Atherosklerose und Herzinfarkt kommen kann, ist kein Argument gegen das Cholesterin“, sagt hingegen der Kardiologe Prim. Univ.-Prof. Otto Traindl vom LKH Mistelbach. „Es gibt mindestens sechs wichtige Risikofaktoren – neben hohem LDL-Cholesterin zum Beispiel auch Bluthochdruck, Übergewicht, Rauchen oder Stress. Es ist immer ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren.“
Viele Studien würden zeigen, dass eine Senkung des LDL-Cholesterins sehr wohl etwas bringe: „Aus meiner Sicht ist unumstritten, dass tierische Fette den LDL-Cholesterinspiegel erhöhen und Cholesterin einer der wichtigsten Risikofaktoren in der Entstehung von Arteriosklerose ist. Zu sagen, esst viel tierisches Fett, aber weniger Zucker – dafür gibt es überhaupt keine wissenschaftliche Grundlage.“
Plaques schrumpfen
Statine würden sowohl Entzündungen hemmen als auch das LDL-Cholesterin senken: „Beide Effekte haben eine schützende Wirkung.“ Dass in den vergangen Jahren die LDL-Werte, ab denen bereits Statine empfohlen werden, abgesenkt wurden, hänge mit neuen Erkenntnissen zusammen: „Studien haben gezeigt, dass bei sehr niedrigen LDL-Werten die Plaques, die Ablagerungen in den Gefäßen, sogar zu schrumpfen beginnen.“ Ob jemand ein Statin verordnet bekomme, hänge nicht nur von seinem LDL-Cholesterinwert, sondern insgesamt von seinem Risiko für eine Herzgefäßerkrankung ab, sagt Traindl: „Es gibt kaum eine Therapie in der Medizin, für die wir einen so großen Nachweis der Wirksamkeit wie für die positiven Effekte der Statine und für das Absenken des Cholesterins haben.“
Statine können das ,böse‘ LDL-Cholesterin effektiv senken, das gute HDL-Cholesterin aber nur geringfügig erhöhen. Auch andere Ansätze, mit einem Medikament hier etwas zu bewirken, blieben bisher mäßig erfolgreich. Die Entwicklung einiger ursprünglich vielversprechender Präparate musste nach dem Auftreten von Nebenwirkungen eingestellt werden. „Mit Bewegung hingegen lässt sich das HDL-Cholesterin sehr gut erhöhen“, sagt Kardiologe Traindl. Auch der Verzicht auf die Zigarette erhöht den HDL-Wert, ebenso ein niedriger Blutzuckerspiegel. „Eine leichte Erhöhung kann auch mit einem Achtel Wein – aber nicht mehr – erzielt werden.“
Studien zeigen, dass Bewegung die beste Maßnahme ist, damit das gute HDL-Cholesterin seine Schutzwirkung ausüben kann: Denn eine hoher HDL-Wert alleine sagt noch nichts über das Ausmaß des Schutzes aus: HDL-Cholesterin kann – wenn ein körpereigenes Enzym nicht richtig arbeitet – seine Schutzwirkung verlieren.
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