Corona und Intensivstationen: Wie steht es um das Personal?

Krankenhaus in Wien
Neben der Frage der Intensivbetten stellt sich nun auch die Frage, ob es für die Behandlung auf Intensivstationen genügend Personal gibt.

Die Regierung wird sich heute mit den Kapazitäten in den heimischen Krankenhäusern befassen. Zuletzt sorgten die Informationen zur Anzahl der zur Verfügung stehenden Intensivbetten für Verwirrung.

Etwas mehr als 220 Patienten befinden sich derzeit auf den Intensivstationen. Neben der Frage der Intensivbetten stellt sich nun auch die Frage, ob es für die Behandlung auf Intensivstationen überhaupt genügend Personal gibt.

Die Behandlung von Corona-Patienten sei besonders aufwendig, sagt Bernd Lamprecht, Leiter Linzer Uni-Klinik für Lungenheilkunde im Ö1-Morgenjournal. Es bedarf wesentlich mehr Pflegefachkräfte – Leistungsreduktionen in anderen Bereichen seien daher unausweichlich. Auf einer Corona-Station brauche man etwa 50 Prozent mehr Personal als in anderen Bereichen.

Dass weniger planbare Operationen stattfinden könne allerdings jeden Winter passieren – wegen der Grippe, das meint der Direktor des Wiener Gesundheitsverbunds, Michael Binder. Demnach sei es keine ganz außergewöhnliche Situation – "weil wir in jeder Saison die saisonale Grippe haben". Das Bilden von Grippeplänen könne man, jetzt komme jedoch die Pandemie und Corona dazu, so Binder auf Ö1. Das werde eine "besondere Herausforderung".

Das medizinische Personal stehe schon jetzt am Rande der Belastbarkeit, warnt Reinhard Waldhör, er ist Chef der Gesundheitsgewerkschaft, ein Teil der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst. Bevor Intensivbetten fehlen, fehle es an Personal, so Waldhör im Ö1-Morgenjurnal.

Nach dem schweren Frühjahr, sei der Sommer genutzt worden, viele Operationen und schwere Behandlungen aufzuholen. Dem Personal fehle es nun an Erholungsphasen. Sein Appell an die Bevölkerung: Die Menschen sollen die Maßnahmen einhalten – nicht nur wegen Corona, sondern auch weil die Maßnahmen eine Grippe-Infektion verhindern könnten und dadurch auch die Krankenhäuser entlastet würden. Mit Verschiebungen bei Operationen und anderen Leistungen, sofern die Lage nicht lebensbedrohlich sei, rechnet auch er.

Deutsche Intensivmediziner befürchten dramatische Lage

Mediziner befürchten trotz Quasi-Lockdown in wenigen Wochen eine dramatische Lage auf Deutschlands Intensivstationen. "Es ist jetzt schon nachweislich schlimmer als im Frühjahr", sagt Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). "In 14 Tagen haben wir die schweren Krankheitsfälle und unsere großen Zentren kommen unter Maximalbelastung."

Auch in Deutschland geht es neben den Bettenkapazitäten auch um das Personal: Das Personalstecke sich zudem aufgrund stark steigender Infektionszahlen deutlich häufiger anstecke an als im März oder April. "Wir haben mehr Betten und mehr Beatmungsgeräte als zu Beginn der Pandemie. Aber wir haben nicht eine müde Maus mehr beim Personal", sagte Janssens. Von den Infizierten müssten etwa fünf Prozent im Krankenhaus behandelt werden, zwei Prozent auf der Intensivstation, ergänzte Stefan Kluge, Leiter der Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Über 70-Jährige hätten ein Todesrisiko von über 50 Prozent. Ein Blick auf die derzeit nur langsam steigende Zahl der Todesopfer tauge nicht zur Einschätzung der aktuellen Lage. "Wir müssen auf die Zahl der Intensivpatienten schauen. Dann wissen wir, wohin die Reise geht", sagte Kluge.

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